Der Fußball als Impulsgeber für eine erfolgreiche Wende

Aufschub war gestern. Unternehmen, Politik und Zivilgesellschaft müssen gemeinsam handeln, um die globale Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Durch seine große, globale und sozial vielfältige Gemeinschaft kommt dem Fußball hierbei besondere Bedeutung zu. Die Bundesliga ist eine der größten und beliebtesten Profisportligen der Welt. Sie begeistert die Menschen in den Stadien und ist einer der attraktivsten Medieninhalte Deutschlands mit globaler Ausstrahlung. Allein in deutschen Stadien finden jährlich mehr als 700 professionelle Spiele statt. In Europa sind es knapp 15.000 Spiele.

Mit seiner Beliebtheit und Ausstrahlungskraft hat der Fußball ein bemerkenswertes Potenzial, den Wandel voranzutreiben und die Menschen für einen klimafreundlichen Sport und eine nachhaltige Gesellschaft zu begeistern. Dabei muss er sich das Vertrauen immer wieder verdienen: indem er offen anspricht, wie sich Fußball auf die Umwelt und das Klima auswirkt, und sich bei Sportlern und Fans authentisch und glaubwürdig für Klimaschutz einsetzt.

Unsere Welt verändert sich – und mit ihr der Fußball

Bereits heute führen Starkregen und Orkane immer wieder zu Spielabsagen. Der zukünftige Trainings- und Spielbetrieb wird sich dem Klima anpassen müssen. Dies betrifft die Terminierung von Welt- und Europameisterschaften genauso wie den laufenden Ligenbetrieb.

Die Europameisterschaft 2024 in Deutschland bietet die große Chance, als Meilenstein in einer nachhaltigen Entwicklung des Fußballs gesehen zu werden.

Die BBC hat für 2050 ein Szenario entwickelt, das nachdenklich stimmt. Fußball findet darin mit einer begrenzten Anzahl von reisenden Fans in klimatisierten und vollständig überdachten (Hallen-) Stadien statt. Die Spiele werden in der Nacht ausgetragen, wenn es kühler ist. Die Spieler und Spielerinnen werden immer dann ausgewechselt, wenn die biometrischen Messwerte ihrer aktiven Trikots anzeigen, dass sie sich der »roten Zone« in Bezug auf Hitze oder Müdigkeit nähern. Tickets für Europa- und Weltmeisterschaften können nur einheimische Bürger kaufen. Ausländische Fans können teilnehmen, wenn sie nachweisen, dass sie auf umweltverträgliche Weise angereist sind, zum Beispiel mit einem elektrischen Fahrzeug oder mit einem mit Wasserkraft betriebenen Boot. Damit die Umweltverschmutzung gering bleibt, werden Flüge nicht möglich sein. Dank der innovativen Virtual-Reality-Technologie, die in allen Stadien zum Einsatz kommt, werden die Fans aus aller Welt jedoch nicht das Gefühl haben, etwas zu verpassen. Natürlich ist die Anwesenheit aus der Ferne nichts Neues, aber die Gastgebernationen werden ein neues virtuelles Erlebnis bieten, das die gewohnten Seh- und Klangpakete um Berührungen und Gerüche ergänzt. Auf riesigen, vernetzten Augmented-Reality-Wänden, die das Spielfeld umgeben, werden auch die Spieler die Fans sehen und hören können, wenn sie auf dem Spielfeld sind.

Klimaschutz als Chance für den Fußball

Zurück in die Gegenwart: Trotz der globalen Erderwärmung und zunehmender Hitzewellen können die Spieler nach wie vor im Sommer spielen, und auch klimabedingte Flugverbote sind derzeit noch weit entfernt. Fakt ist, dass Profivereine einen großen ökologischen Fußabdruck haben und sie dadurch sowohl das Klima beeinflussen als auch von den klimatischen Bedingungen abhängig sind. Gleichzeitig verfügen die Klubs über die notwendigen Ressourcen, um eine Vorreiterrolle für eine nachhaltige Form des Fußballbetriebs zu übernehmen.

Klubführungen und Spitzenfunktionäre sollten daher die Chance eines grünen, nachhaltig transformierenden Fußballs erkennen und nutzen. Für Klubs und Liga ist es eine vielversprechende Gelegenheit – ergeben sich doch neue Vermarktungschancen, Chancen auf eine höhere Marktkapitalisierung und nicht zuletzt eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz.

Die globale Entwicklung formt aktuell eine sogenannte Purpose Economy. Heranwachsende Generationen bewerten kritisch, wie verantwortlich ihre Arbeitgeber und die Marken sind, die sie konsumieren. Bereits heute sagen 81 Prozent der Millennials, dass erfolgreiches Business einen echten Zweck braucht. Den Fußball schließt diese Entwicklung nicht aus, auch wenn einige Verantwortungsträger immer noch denken, dass sich die Menschen zu allen Zeiten »um das letzte Lagerfeuer« versammeln. Dass Purpose mittlerweile auch im Fußball eine zentrale Rolle spielt, belegen aktuelle Studien: 86 Prozent der Fußballanhänger erwarten ein umfassendes Umweltengagement von den Klubs. 69 Prozent würden lieber zu einem Spiel gehen, wenn sie wüssten, es ist umweltfreundlich. Der englische Verein Forest Green Rovers belegt diesen Trend. Eine konsequente ökologische Ausrichtung bis hin zu rein vegetarischen Speisen im Stadion hat dazu geführt, dass der englische Viertligist in aller Munde ist und weltweit über 70 Fanklubs besitzt.

Unter den europäischen Profiligen gilt der VfL Wolfsburg in puncto Klimaschutz als Benchmark. So erhebt der Klub seit 2012 seinen CO₂-Fußabdruck und will bis 2025 Netto-Null-Emissionen erreichen. Der Reduktionspfad ist orientiert an science based targets (SBT): Ausgehend von dem Saisonjahr 2017 / 18 sollen die Treibhausgasemissionen jährlich um 6,45 Prozent schrumpfen. Daraus ergibt sich bis zum Jahr 2030 eine Reduzierung um rund 55 Prozent. Der VfL war außerdem der erste Topclub mit einer Zielsetzung für alle Scopes, zudem der erste Bundesligist, der das »Sports for Climate Action«-Framework der UN unterschrieben hat und »Race To Zero« unterstützt.

Agenda für 2022

  • Ein Nachhaltigkeitsstandard, der sich an international anerkannten Rahmenwerken orientiert, ist Bestandteil der Lizenzierung der Klubs der Bundes­liga und 2. Bundesliga.
  • Die Deutsche Fußball Liga (DFL) setzt wirtschaftliche Anreize für besonders nachhaltig agierende Vereine.
  • Alle Klubs und Verbände verpflichten sich zur transparenten Berichterstattung und machen ihr ­Engagement insbesondere für Fans nachvollziehbar.
  • DFL und Klubs bauen Strukturen und inhaltliche Expertise auf und forcieren die Zusammenarbeit mit dem DFB.

Herausforderung meistern und Wirkung maximieren

Die Herausforderung für den Sport hinsichtlich der Einbettung der ökologischen Nachhaltigkeit besteht darin, von Ad-hoc-Umweltinitiativen in die Strategie überzugehen. Dies braucht Mut und Veränderungswillen sowie einen selbstkritischen Umgang mit dem aktuellen Vermarktungs- beziehungsweise Geschäftsmodell, das auf maximalen Gewinn und die damit verbundene (erhoffte) Chance auf maximale sportliche Erfolge ausgelegt ist. Um den Fußball auch in Zukunft als nachhaltige gesellschaftliche Instanz zu positionieren, müssen die Deutsche Fußball Liga (DFL), der Deutsche Fußball-Bund (DFB), Klubs, Sponsoren und auch Fans an einem Strang ziehen. Denn die Wende zu einem klimafreundlichen Fußballgeschäft kann nur gemeinsam erfolgen. Es gilt, Entwicklungen und Auswüchse der Vergangenheit zu reflektieren, zu diskutieren und gangbare Wege für die Zukunft zu entwerfen. Hierfür werden klare und faire Ziele benötigt, die aufzeigen, welchen ökologischen Beitrag die Branche als Ganzes leistet und mit welchen Instrumenten diese zweckmäßig erreicht werden. Es geht darum, die Wirkung des Fußballs zu maximieren.

Der Fußball und seine Auswirkungen auf das Klima

Die An- und Abfahrten zu den Spielen durch Fans und Mannschaft haben eine große Klimawirkung. Im Laufe eines Spieltags entsteht viel Abfall. Nicht zuletzt erhöht die zunehmende Digitalisierung den Energiebedarf im Spielbetrieb, aber auch in der Verwaltung und der IT. All dies belastet die Umwelt. Nach wie vor klafft zwischen Realität und Handlungsbedarf eine große Lücke. Daher müssen neue Wege gefunden werden, den Fußballbetrieb effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Entlang der Wertschöpfung müssen die Bereiche Energie, Wasser, Abfall, Transport, Lebensmittel, Dienstleistungen sowie Produkte auf ihre ökologische Nachhaltigkeit stetig geprüft werden. Für den Fußball heißt die Aufgabe: vermeiden, reduzieren, kompensieren und Anreize setzen, sodass alle Anspruchsgruppen mitmachen.

Erste gute Beispiel zeigen, was möglich ist. Der FC St. Pauli produziert seit 2021 mit DIIY eine eigene nachhaltige Teamsportkollektion. Brands Fashion, Marktführer für Merchandising-Textilien, hat 2020 die Green Factory in Indien eröffnet, die CO₂-Emissionen unter anderem durch den Einsatz von Solarpaneelen reduziert. Erneuerbare Energien sind auch in der Bundesliga weit verbreitet. Werder Bremen und Borussia Dortmund betreiben eigene Photovoltaikanlagen. Das Olympiastadion in Berlin hat eine Regenwasserzisterne, und der VfL Wolfsburg nutzt Grauwasser aus dem Mittellandkanal zur Bewässerung der Trainingsplätze.

Mit Kampagnen klimafreundliches Verhalten fördern

Das Mobilitätsverhalten ist von entscheidender Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel. Ein Champions-League-Endspiel zweier englischer Klubs in Portugal wie 2021 ist in Zukunft kaum vorstellbar. Der Sport kann als Katalysator für Veränderungen im Transportsektor dienen, indem er die Nachfrage nach kohlenstoffarmen Verkehrsmitteln erhöht und indem er die Zuschauer dazu ermutigt, emissionsarme Reisemöglichkeiten wie Fahrräder, Elektrofahrzeuge oder öffentliche Verkehrsmittel zu wählen. Das Kombiticket ist beispielsweise ein interessantes Angebot in dieser Hinsicht, aber bei internationalen Veranstaltungen sollten auch längerfristige Strategien erforscht werden, etwa im Hinblick darauf, wie Fernflüge reduziert und mehr Anreize für lokale und regionale Zuschauer geschaffen werden können.

Der zukünftige Trainings- und Spielbetrieb wird sich dem Klima anpassen müssen.

Entsprechende Kampagnen der Klubs könnten dabei helfen, Zuschauer zur Nutzung nachhaltiger Verkehrsmittel zu animieren. Außerdem ist der Zusammenschluss mit wichtigen Interessenvertretern im Fußball erforderlich, um gemeinsam an Konzepten zu arbeiten und diese auf lokaler und nationaler Ebene einzuführen. Das Ziel sollte hierbei sein, dass kohlenstoffarme Verkehrsmittel zur Norm werden und alle Fußballvereine einen einheitlichen und universellen Ansatz für die Anreise zu Spielen verfolgen. Schließlich können unvermeidbare Emissionen, die durch Reisen entstehen, durch glaubwürdige Kompensationsprogramme ausgeglichen werden.

Ein grüner Spieltag kann aber noch mehr leisten, etwa durch zertifiziert nachhaltige Produkte im Fanshop, vegane Angebote und Mehrwegsysteme im Catering sowie die Reduktion von Müll durch circular economy-Ansätze. Das PETA-Ranking (2019) und die Studie »So fair sind die Shops« (2020) von Cum Ratione zeigen gute Beispiele, aber auch Handlungsempfehlungen. Vor allem eine vegane Ernährung ist derzeit im Sport in aller Munde. Immer mehr Topsportler wie Formel-1-Weltmeister Lewis ­Hamilton oder Tennisspieler Novak Đoković entdecken den Fleischverzicht als leistungssteigerndes Mittel. In der Fußball-Bundesliga schwören immer mehr Fußballer auf eine vegane Ernährung. Unter ihnen die Nationalspieler Luca Waldschmidt oder Serge Gnabry. Im Zuge von Kampagnen können Leistungssportler ihre Vorbildfunktion nutzen, um eine vegane und klimafreundliche Ernährungsweise noch salonfähiger zu machen.

Chancen der Digitalisierung

Das Produkt Fußball lebt als Kulturgut von gemeinsamen Stadionerlebnissen und Emotionen der heterogenen Gesellschaft und entfaltet dabei eine positive soziale Kraft. Digitale Angebote für Fans, zum Beispiel der virtuelle Stadionbesuch, scheinen zunächst schwer vorstellbar. Im Zuge der Internationalisierungsaktivitäten der Klubs können virtuelle Begegnungen mit Fans aus aller Welt jedoch Chancen bieten, einerseits Reichweiten zu erhöhen und anderseits Marketingreisen nach China oder in die USA zu vermeiden. Auch Trainingslager werden zukünftig im Rahmen einer nachhaltigen Positionierung daheim stattfinden müssen.

Mindset verändern und Stakeholder aktivieren

Das Mindset der Klubführungen spielt bei der Transformation eine Schlüsselrolle. Effizienter Klimaschutz gelingt nur mit strukturellen Veränderungen und Investitionen, die sich teilweise erst mittel- und langfristig auszahlen. Ein großes Problem der Branche ist dabei, dass Manager im Fußball zumeist am kurzfristigen sportlichen Erfolg gemessen werden. Hier braucht es künftig andere Bewertungsansätze.

Das aktuelle Geschäftsmodell ist auf maximalen Gewinn und maximale sportliche Erfolge ausgelegt.

Den Handlungsbedarf auf Fachebene zeigt eine Klubumfrage unter den Verantwortlichen für Corporate Social Responsibility (CSR) der 36 deutschen Profiklubs. Damit sich die Klubs in Sachen Klimaschutz weiterentwickeln können, benötigen die Fachexperten Budget und mehr Handlungsspielräume, einen besseren Austausch untereinander, um von den Besten zu lernen und sich weiterentwickeln zu können, sowie mehr Expertise. Insbesondere der Qualifizierung kommt hier eine zentrale Bedeutung zu, die DFL unterstützt übergreifend. Nur sehr wenige Klubs verfügen aktuell über Energie-, Umwelt- oder Klimamanager. Das fehlende Know-how führt unter anderem dazu, dass sich Vereine als klimaneutral bezeichnen, in Wahrheit jedoch nur die Scope-1- und Scope-2-Emissionen in die Zielsetzung einbeziehen und die restlichen Treibhausgasemissionen, die in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfung liegen, außer Acht lassen. Denn branchenübergreifend liegen durchschnittlich 80 Prozent der CO2-Emissionen im Scope-3-Bereich. Dabei müsste die Zielsetzung mit Blick auf den CO2-Fußabdruck viel weiter gehen, um sich nicht dem Vorwurf des Greenwashings auszusetzen.

Klimamanagement ist eine Gesamtaufgabe im Verbund mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Mit Blick auf den CO2-Fußabdruck und den CO2-Treiber »Fanmobilität« – die An- und Abreise zu den Heim- und Auswärtsspielen macht circa 60 Prozent der CO2-Emissionen aus – ist die Einbindung der Anhänger ein zentrales Element. Dabei gilt es, die Leidenschaft aller Fangruppen zu erhalten und zu stärken. Partizipative Strukturen in Klubs und Verbänden ermöglichen Teilhabe und Austausch über die geplanten Klimaschutzmaßnahmen. Mögliche Anreizmechanismen können im Dialog gemeinsam diskutiert werden.

Auf kommunaler Ebene unter Mitwirkung der Stadt und weiterer wichtiger Organisationen, die den Sport und die Stadien als Leuchtturm zur Veranschaulichung eines gelungenen Wandels nutzen können und sollten, können wichtige Schritte gegangen werden. Denn das Fußballstadion als Mikrokosmos mit bis zu 80.000 Zuschauern pro Heimspiel bietet sich als Testcenter und Showcase für innovative Mobilitäts- und Nachhaltigkeitslösungen an. Die Zusammenarbeit mit Sponsoren und Partnern sowie Start-ups erscheint in diesem Rahmen sinnvoll und macht im besten Fall Klimaschutz für ein Millionenpublikum sichtbar.

Agenda für 2025

  • Moderne Führungsstrukturen mit mehr Frauen in Führungspositionen prägen die Vorstände und Aufsichtsräte der Klubs und Verbände.
  • Die Klubspitzen werden neben dem sportlichen Erfolg auch am nachhaltigen (ökologischen) ­Impact gemessen.
  • Die EM 2024 in Deutschland überträgt ihr Konzept auf den Breitensport und bietet ökologische Fachberatung mit Unterstützung der Politik.

Die Zukunft des Profifußballs

Die DFL-Taskforce »Zukunft Profifußball« hat in ihrem Abschlussbericht mit Blick auf das Jahr 2030 das Ziel ausgegeben, durch die Maßnahmen der Profiklubs breite Bevölkerungsschichten für den Umwelt- und Klimaschutz zu gewinnen. Der Profifußball wirkt dabei nach innen und nach außen als Vorbild für die Gesellschaft. Der Arbeitskreis Verantwortung, zusammengesetzt aus CSR-Verantwortlichen der Klubs, hat dieses Ziel konkretisiert und im Auftrag des DFL-Präsidiums ökologische Handlungsempfehlungen entwickelt. Diese beinhalten Vorschläge für strukturelle Veränderungen auf DFL-Ebene und im Zusammenspiel der DFL mit den Klubs sowie zur Bewusstseinsbildung und Qualifizierung der Führungs- und Fachebenen. Unter anderem empfiehlt der Arbeitskreis Verantwortung die Einführung einer Kommission Nachhaltigkeit, die das DFL-Präsidium berät und konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet. Die Empfehlungen bieten eine gute Grundlage für die weitere Diskussion, um zeitnah eine ligaweite Haltung und Zielsetzung zum Thema Klimaschutz zu entwickeln.

Mit sustainClub hat sich bereits ein erster Nachhaltigkeitsstandard im Fußball etabliert. Das von der Schweizer NGO sustainable /// sports entwickelte Managementsystem greift auf bestehende Orientierungsrahmen wie den der Global Reporting Initiative (GRI) zurück, berücksichtigt aber auch die Besonderheiten des Sports. Gemeinsam mit sechs Klubs wurden 2020 im Rahmen einer Pilotphase die Kriterien geschärft und Mindeststandards festgelegt. Dazu gehören neben dem schriftlichen Commitment der obersten Vereinsführung zur Nachhaltigkeit auch Konzepte zur Bevorzugung lokaler Lieferanten, der Einkauf von Ökostrom sowie Konzepte zur Reduktion der Mobilitätsemissionen. Seit 2021 durchlaufen bereits weitere Klubs den Prozess inklusive einer Auditierung. Zukünftig sollte ein entsprechender Nachhaltigkeitsstandard Teil des Lizenzierungsverfahrens der Klubs sein.

Neben diesem Pflichtprogramm sollten Klubs aber auch eine Vision mit gemeinsamen kurz-, mittel- und langfristigen Zielen entwickeln. Die Europameisterschaft 2024 in Deutschland bietet eine große Chance, wenn sie nicht nur als Produkt, sondern auch als Meilenstein für eine nachhaltige Entwicklung des Fußballs gesehen wird. Dies setzt voraus, dass neben den Spielorten alle Fußballstandorte sowie auch der Breitensport mitgenommen werden und dass in die Infrastruktur investiert wird. Der Fußball könnte damit eine sichtbare Vorreiterrolle einnehmen, ein Vermächtnis für die Klubs schaffen und jeden dazu befähigen, seine Forderungen gegenüber der Politik klar zu formulieren.

Vereine: Sportlicher Erfolg darf nicht das einzige Ziel bleiben

Fußballvereine, die früher durch ehrenamtliches Engagement aufgebaut wurden, sind heute teilweise sehr erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen. Die Fußballprofiabteilungen sind zumeist in Rechtsformen wie GmbH, AG oder GmbH & Co. KG auf Aktien ausgelagert. Dieser Wandel wirft heute mehr denn je Fragen nach dem gesellschaftlichen Beitrag des Profifußballs auf. Auch wenn bei allen Aktivitäten das oberste Ziel der maximale sportliche Erfolg ist, stellt sich die Frage nach weiteren Zielen. Fußballvereine sollten sich zu ihrem Beitrag zum Gemeinwohl auf allen Ebenen, auch hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz, bekennen – zumal das Commitment interner und externer Stakeholder zunehmen wird. Es gilt, neue, mutige Wege einzuschlagen und Verantwortung zu übernehmen für die Zukunft des Fußballsports in all seinen Ausprägungen und, ganz allgemein, für die Lebensgrundlagen der nächsten Generationen.

Agenda für 2030

  • Die Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga sind CO2-neutral in den Scopes 1 bis 3.
  • Die Klubs haben gemeinsam den Wettbewerb über­arbeitet und Regelungen, etwa zu Gehaltsobergrenzen, verabschiedet. Die Vermarktungsspirale wurde­ gebremst.
  • Der Fußball fungiert als starke Interessenvertretung der Athleten, die die Entscheidungen der Verbände und Klubs positiv beeinflusst.
  • FIFA und UEFA einigen sich auf weniger Wettbewerbe und Spiele und stärken damit das Produkt Fußball.

Nico Briskorn, geb. 1977, ist seit mehr als zehn Jahren als Nachhaltigkeitsexperte beim VfL Wolfsburg im Einsatz. Unter seiner Leitung hat der VfL Wolfsburg als weltweit erster Fußballklub 2012 einen GRI-zertifizierten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. In nationalen und internationalen Gremien und Arbeitsgruppen wirkt der Diplom-Sportwissenschaftler maßgeblich daran mit, Branchenstandards zu entwickeln und zu etablieren. So haben Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga 2020 gemeinsam mit dem VfL Wolfsburg »sustainClub« durchlaufen, das erste Nachhaltigkeitslabel speziell für den Fußball.