Die deutsche Textil- und Mode­industrie kann Green Deal Textil

Umbruch und Transformation bestimmen seit Jahrhunderten die Geschichte der Textilindustrie. In Europa begann die Industrialisierung mit der Erfindung der Spinnmaschine und des Webstuhls im 18. Jahrhundert. Mensch und Maschine machten möglich, was vorher unvorstellbar schien: industrielle textile Massenproduktion, die in atemberaubender Geschwindigkeit nicht nur unser Wirtschaften, sondern auch das gesellschaftliche Leben veränderte. Die Industriegesellschaft war geboren.

Seither hat sich die deutsche Textil- und Modeindustrie immer wieder neu erfinden müssen. Zuletzt in den 60er-Jahren, als die Bekleidungsproduktion massenhaft nach Asien abgewandert ist, und nach der Wende 1989, als von gut 300.000 Arbeitsplätzen in der ostdeutschen Textil- und Modeindustrie innerhalb weniger Jahre nur noch 50.000 übrig waren. Die Branche kennt Wandel wie kaum eine andere Industrie und kann ihn gestalten. Sie hat immer wieder neue Bereiche mit innovativen Produkten und Verfahren entwickelt, auch dank einer lebendigen textilen Forschungs- und Bildungslandschaft in unserem Land. Diese Veränderungen haben wir immer als Chance und Aufbruch empfunden. Dafür stehen unsere mittelständischen Unternehmen, viele von ihnen familiengeführt mit Geschäfts- und Kundenkontakten in die ganze Welt.

Die Branche hat sich immer wieder neu erfunden und innovative Produkte und Verfahren entwickelt.

In der COVID-19-Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, eine eigene Textilindustrie im Land zu haben. Wir konnten einspringen, als es plötzlich keine Masken und keine Schutzkleidung mehr aus China gab. Aber wir können noch viel mehr: Wir können den Green Deal Textil und sind bereit, unseren Beitrag für eine klimaneutrale Zukunft zu leisten. Doch es gibt mindestens fünf Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit wir am Standort Deutschland wettbewerbsfähig produzieren können.

Sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen

Die deutsche Textil- und Modeindustrie setzt sich aus tiefer Überzeugung aktiv für den Klimaschutz und die Energiewende in Deutschland ein. Die Unternehmen sind seit vielen Jahren auf dem Weg, ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und gleichzeitig die Wünsche der Kunden nach werthaltigen und langlebigen Produkten zu bedienen. Damit schaffen sie zugleich gute Arbeitsplätze und sichern das Einkommen vieler Tausend Familien in Deutschland, aber auch in den Produktionsländern, in denen deutsche Auftraggeber weltweit für höchste Standards stehen.

Die Transformation hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft in Europa findet mitten im laufenden Betrieb in einer hochkomplexen, global vernetzten Welt statt. Eine Steuerung über den CO2-Preis kann deshalb weder im deutschen noch im europäischen Alleingang gelingen. Um mit ihrer Produktion in Deutschland theoretisch bis 2030 klimaneutral zu sein, benötigt die deutsche Textilindustrie eine sichere Versorgung mit etwa drei Terawattstunden (TWh) grünem Gas und etwa zwei TWh grünem Strom pro Jahr zu international wettbewerbsfähigen Preisen. Das ist ungefähr so viel, wie eine halbe Million Durchschnittshaushalte in Deutschland pro Jahr für Strom und Heizung verbraucht.

Wir brauchen starke Investitionen in Forschung und Entwicklung, um die neuen CO2-neutralen Pfade einzuschlagen.

Allein der Strombedarf der chemischen Industrie wird sich bis Mitte der 2030er-Jahre verzehnfachen. Das wäre mehr als der gesamte aktuelle deutsche Stromverbrauch. Diese Dimensionen zeigen, wie gewaltig das Vorhaben ist, unser Leben und unser Wirtschaften weitgehend auf Ökostrom umzustellen. Zwar hat sich bei der Speicherung von Wind- und Sonnenenergie schon viel getan. Dennoch lässt sich die Versorgung damit immer noch schlecht planen, wie das erste Halbjahr 2021 gezeigt hat. Da es an Wind und Sonne mangelte, deckten erneuerbare Energien nur 43 Prozent des Bedarfs, während im Vorjahreszeitraum der Anteil noch deutlich höher lag. Dabei gilt der Ausbau erneuerbarer Energien als entscheidend, damit die von der Politik beschlossenen ambitionierteren Klimaziele erreicht werden können. Nach Einschätzung von Experten ist für das höhere CO2-Einsparziel ein Anteil von mindestens 70 Prozent erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2030 erforderlich.

Viele Textilunternehmen produzieren Stoffe, Garne, Heimtextilien und vor allem technische Textilien noch in Deutschland.

Woher sollen etwa der grüne Wasserstoff und die zusätzlichen Mengen an Strom aus erneuerbaren Energien kommen, um die Produktionsprozesse in der Textilindustrie weiter zu elektrifizieren – und das zu wettbewerbsfähigen Preisen? Für viele der 1.400 mittelständischen Textilunternehmen mit rund 124.0000 Beschäftigten und rund 28 Milliarden Euro Jahresumsatz ist das die zentrale Frage. Sie produzieren in Deutschland Stoffe, Garne, Heimtextilien und vor allem technische Textilien – ein Innovationsfeld mit deutschen Weltmarktführern. Viele der Produktionsprozesse, vor allem in der Textilveredlung, sind energieintensiv. Wir sind also darauf angewiesen,
dass es konkrete Antworten gibt.

Agenda für 2022

  • Strom- und Brennstoffpreise in Deutschland müssen wieder ein international wettbewerbsfähiges Niveau erreicht haben und langfristig garantiert werden.
  • Die Industrie benötigt leistungsfähige, sichere, souveräne, vertrauenswürdige und verlässliche ­digitale Netze.

Nachhaltige und innovative Textilien brauchen Wertschätzung

Technische Textilien sind schon heute ein hochinnovativer Werkstoff in vielen Anwendungsgebieten: beispielsweise als textile Fassade, die kühlt, wärmt oder aus schmutziger Luft wieder saubere macht; als Wundverband, der dem Arzt signalisiert, wenn er gewechselt werden muss; als antivirale Bezüge oder OP-Kittel, die Patienten oder medizinisches Personal im Krankenhaus schützen. Aber auch als neuartige Filter in Industrieanlagen, die wertvolle Metalle oder seltene Erden zum Wiederverwerten aus Abwässern fischen. Ein besonderes Zukunftspotenzial steckt auch im textilen Leichtbau. Bauen geht damit schneller, CO2-sparender, und es wird weniger Beton verbraucht.

Deutschland verdankt seine Marktführerschaft bei technischen Textilien dem hohen Stand der textilen Forschung im Land. Es gibt zahlreiche Hidden Champions unter den mittelständischen Textilunternehmen, die mit hochinnovativen Spezialprodukten auf den Märkten der Welt zu Hause sind. Im Bereich der technischen Textilien findet die Produktion in Deutschland statt. Auch die ostdeutsche Textilindustrie hat hier nach der Wende eine beeindruckende Transformation hin zu technischen Textilien geschafft. Sie finden sich in Autos und Flugzeugen, als Spezialtextilien im Arbeitsschutz oder bei der Feuerwehr. Gerade in diesem Bereich zeigt sich aber exemplarisch, dass der Einsatz von Chemikalien, für die es noch keine Ersatzstoffe gibt, auf absehbare Zeit in Europa erlaubt sein muss. Wer alles verbieten will, blendet aus, dass wir schusssichere Westen oder Feuerschutzanzüge dann nicht mehr selbst herstellen können, sondern dort kaufen müssen, wo unsere hohen Umweltschutzauflagen kein Standard sind. Damit schaden wir sowohl der Umwelt als auch den Standorten Deutschland und Europa.

Auch unsere Bekleidungs- und Schuhhersteller befinden sich in einer Transformation, die sich durch die Coronapandemie noch beschleunigt hat. Die Schlüsselfrage ist, ob sich Werthaltigkeit, gute Passform und Qualität am Modemarkt wieder durchsetzen können. Die Diskussion über nachhaltige Mode übersieht, dass Mode deutscher Traditions- und Qualitätsmarken nicht Teil des Problems, sondern der Lösung ist. Für unsere mittelständischen Modehersteller – viele davon über Generationen familiengeführte Traditionsunternehmen – gehören Wert- und Langlebigkeit nämlich zum Markenkern. Ganze Kollektionen finden sich auch Jahre später noch im Kleiderkreislauf. Reparaturdienste bieten viele Labels schon lange an. Doch solche Qualität ist in den vergangenen Jahren durch immer mehr international agierende Fast-Fashion-Ketten entwertet worden. Statt zwei Kollektionen pro Jahr werfen Fast-Fashion- und Ultra-Fast-Fashion-Ketten regelmäßig 20 und mehr auf den Markt. Die Folge: ein sich immer schneller drehendes Modekarussell, das Kleiderberge auf Kosten von Mensch und Umwelt produziert.

Unsere mittelständischen Hersteller werden mit Fast Fashion regelmäßig in eine Schublade gesteckt. Zu Unrecht: Es sind gerade unsere Modemarken und viele innovative Mittelständler, unsere textilen Forschungsinstitute, unsere Hochschulen und textilen Ausbildungsstätten und viele innovative Start-ups, die immer mehr Lösungen für nachhaltige Produktion und eine textile Kreislaufwirtschaft in die Anwendung bringen. Kleider aus Algen, Fasern aus Ananasschalen oder Brennnesseln, Skiunterwäsche aus Kaffeesatz, Sportschuhe und Outdoorbekleidung aus Meeresmüll – was sich derzeit im Bereich biobasierte Rohstoffe und Upcycling in der Textilindustrie alles tut, macht großen Mut.

An textilen Hotspots sind klimaneutrale Industrieparks geplant, die zeigen sollen, wie nachhaltige Produktion von Bekleidung auch in Deutschland funktioniert. Aber auch in den Produktionsländern sind deutsche Unternehmen mit Nachdruck engagiert, wenn es um faire Arbeits- und Sozialstandards und Nachhaltigkeit entlang der Lieferkette geht. Auch unsere textilen Studien- und dualen Ausbildungsgänge widmen sich immer mehr der Nachhaltigkeit. Virtuelle Umkleidekabinen, Blockchain-Technologie zur Nachverfolgung der Lieferkette oder der 3D-Druck schonen die Ressourcen und reduzieren den ökologischen Fußabdruck.

Dies ist nur ein Ausschnitt aus einer Branche, die an vielen entscheidenden Stellen im Wandel steckt. Die Welt braucht neue Kleider, aber nicht alles muss neu erfunden werden. Mode braucht wieder einen Wert, sie ist Ausdruck unserer Haltung, sie ist auch Kulturgut! Wenn wir das wieder erkennen, ist es nicht altmodisch, sondern im besten Sinne modisch und ganz im Trend, wenn es um unsere Transformation zu einer klimaneutralen und digitalen Gesellschaft geht.

Agenda für 2025

  • Erste erkennbare Erfolge bei der langfristig sicheren Versorgung der Unternehmen mit ausreichend grünem Strom und grünen Brennstoffen zu international wettbewerbsfähigen Preisen.
  • Einheitliche europäische Datenschutz- und Sicherheitsstandards für einzelne Anwenderszenarien als Voraussetzung für den umfangreichen Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) – diese müssen insbesondere bezogen auf KI-Anwendungen entwickelt werden, um der Konkurrenz aus anderen Kontinenten zu begegnen.

Leistungsfähige und verlässliche digitale Netze auch in der Fläche

Längst spielt sich die Welt der Daten auch in und auf Textilien ab. Smart Textiles fühlen, wie es ihrem Träger geht, beispielsweise beim Sport, aber auch in der Medizin, wenn das T-Shirt dem Arzt direkt die Körperdaten des herzkranken Patienten auf den Computer spielt. Heimtextilien reagieren auf Bewegung, schalten Licht ein und aus. Im Smart Home regulieren sie die Raumtemperatur, oder sie schlagen Alarm, wenn im Pflegeheim jemand stürzt und Hilfe braucht. Rotorblätter von Windkraftanlagen können während des Betriebs den eigenen Wartungszustand erfassen und an die Steuerung melden, ohne dass aufwendige Inspek­tionen an einer stillgelegten Anlage notwendig sind. Aus Deichanlagen melden Spezialtextilien, wo Wasser eindringt und der Dammbruch schnell verhindert werden kann.

Durch die Digitalisierung werden auch Produktion und Vertrieb immer enger verzahnt. Es entstehen viele Geschäftsmodelle, bei denen die Produzenten immer mehr zu Händlern ihrer Waren werden. Die Digitalisierung ermöglicht dabei mehr und mehr die Individualisierung von Kundenwünschen: vom Sportschuh aus dem 3D-Drucker über die Smartphone-App, die die Körpermaße nimmt und die Onlinebestellung passgenau macht, bis hin zu den vielen Möglichkeiten im Internet, Mode zu mieten, zu tauschen oder weiterzuverkaufen.

Was sich derzeit im Bereich biobasierte Rohstoffe und Upcycling in der Textilindustrie alles tut, macht großen Mut.

Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind nicht nur in der Textil- und Modeindustrie zwei Seiten einer Medaille. Sie gehören zusammen, wenn es um Klimaneutralität und den sparsamen Einsatz von Ressourcen geht. So können zum Beispiel Sensoren in textilen Produktionsanlagen dabei unterstützen, Ressourcen effizienter zu nutzen und etwa den Verschnitt von Stoffen zu reduzieren. Die Blockchain-Technologie ermöglicht es zunehmend, Materialien entlang der Wertschöpfungskette genau nachzuverfolgen und die Wiederverwertung der Stoffe zu optimieren. Mittels QR-Codes können Kunden Informationen über die Produkte direkt auf ihrem Smartphone abrufen.

Um all das umsetzen zu können, benötigt die Textilindustrie leistungsfähige, sichere, souveräne, vertrauenswürdige und verlässliche digitale Netze auch in der Fläche. Zudem braucht die Branche einheitliche europäische Datenschutz- und Sicherheitsstandards für einzelne Anwenderszenarien. Diese müssen vor allem bezogen auf digitale Anwendungen entwickelt werden, um international wettbewerbsfähig zu sein.

Gesamte Finanzierung der Energiewende auf Haushaltsmittel umstellen

Die Unternehmen stehen in einem intensiven europaweiten und internationalen Wettbewerb – das gilt für Exporte wie für Importe. Daher können sie zusätzliche Belastungen durch den Klimaschutz nicht in beliebiger Höhe tragen. Besonders wettbewerbsfeindlich für die deutsche Industrie sind die Strompreise, über die wir bislang hauptsächlich unsere Energiewende finanzieren. Dabei fallen allein durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Mehrkosten an, die dem gesamten Strompreis in wichtigen Wettbewerbsländern, wie den USA, entsprechen. Einige besonders energieintensive Unternehmen sind von der EEG-Umlage teilweise entlastet. Besondere viele mittelständische Industrieunternehmen zahlen aber die volle EEG-Umlage, da sie die Zugangsvoraussetzungen zur Umlagenentlastung knapp verfehlen.

Wir fordern daher zusammen mit vielen mittelständischen energieintensiven Industriebranchen im Bündnis Faire Energiewende (www.faire-energiewende.­de), die gesamte Finanzierung der Energiewende auf Haushaltsmittel umzustellen. Damit würden die Unternehmen sofort bei den Stromkosten entlastet. Zugleich würden sie über Steuerzahlungen die Energiewende weiter finanzieren. Da Steuern nach der Leistungsfähigkeit erhoben werden, wäre ein solches System sowohl sozial gerechter als auch für die Unternehmen im internationalen Wettbewerb deutlich erträglicher als eine Finanzierung über den Strompreis. Den ersten Schritt in Richtung einer solchen Haushaltsfinanzierung hat der Gesetzgeber mit der Deckelung der EEG-Umlage immerhin gemacht.

Seit dem 1. Januar 2021 gibt es in Deutschland auch die Bepreisung des CO2-Ausstoßes durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG). Für jede Tonne CO2 aus Brennstoffen wie Erdgas oder Heizöl fallen 25 Euro Mehrkosten an, was die Energiekosten auch für unsere Unternehmen um bis zu 20 Prozent erhöht. Bis 2025 soll der CO2-Preis auf 55 Euro pro Tonne steigen und sich damit mehr als verdoppeln. Es ist daher dringend erforderlich, für die Unternehmen ein Entlastungssystem aufzubauen, das die Verlagerung von Unternehmen, Arbeitsplätzen und CO2-Emissionen ins Ausland (Carbon-Leakage) verhindert.

Durch Blockchain-Technologie lassen sich Materialien entlang der Wertschöpfungskette genau nachverfolgen.

Dieses Entlastungssystem im nationalen Emissionshandel muss dieselbe Wirkung für die Unternehmen haben, wie sie auch der EU-Emissionshandel im internationalen Wettbewerb gewährleistet. Insbesondere muss die Kompensation der CO2-Kosten dem Niveau des EU-Emissionshandels entsprechen. Das hat die Bundesregierung mit ihrer sogenannten Brennstoffemissionshandel-Carbon-Leakage-Verordnung nicht erreicht. Ein Mindestkompensationsgrad der CO2-Mehrkosten der Unternehmen von 85 Prozent wäre im Vergleich mit den Unternehmen im EU-Emissionshandel angemessen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Unternehmen bereits unterjährig von den CO2-Kosten entlastet werden und nicht erst ein Jahr oder länger in Vorleistung gehen müssen. Ebenso ist es nicht akzeptabel, dass die Entlastung der Unternehmen nur im Rahmen von vorher festgelegten Haushaltsmitteln erfolgt. Die Carbon-Leakage-Gefährdung der Unternehmen richtet sich nicht nach der Kassenlage des Staates.

Was CDU / CSU und SPD zum Ende der letzten Legislaturperiode nach zähem Ringen hier beschlossen haben, bricht mit dem Versprechen, dass sie die Klimaneutralität zusammen mit der heimischen Industrie erreichen wollen. Die neue Bundesregierung muss dieses Versprechen einlösen.

Weniger Bürokratie, mehr Investitionen – Deutschland braucht einen Modernisierungsschub

Deutschland hat die Kraft, die Innovationen und den unternehmerischen Mut, eine starke Industrie und Klimaschutz zusammenzubringen – nur miteinander werden wir diese Jahrhundertaufgabe stemmen. Die COVID-19-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen haben die Textilindustrie und vor allem die Bekleidungsunternehmen hart getroffen. Viele haben die Krisenzeit aber dazu genutzt, sich strategisch neu auszurichten und in Aus- und Weiterbildung zu investieren. Corona hat uns die ganze Misere unseres Bildungsföderalismus eindrücklich vor Augen geführt. Der Fachkräftemangel bleibt eine dringende Zukunftsaufgabe. Auch die Digitalisierung von Bildung und Verwaltung in der nächsten Legislaturperiode ist für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes entscheidend.

Deshalb sprechen auch wir uns für einen Modernisierungsschub Deutschlands aus. Wir sind für ein Entbürokratisierungs- und Entfesselungsprogramm. Wir brauchen nachhaltige Investitionen in noch mehr Forschung und Entwicklung, um die neuen CO2-neutralen Pfade einzuschlagen. Steuerliche Forschungsförderung ist dabei genauso ein Garant für Fortschritt wie wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern.

Die mittelständischen Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie müssen gerade jetzt besonders leistungsfähig sein, um die Transformation erfolgreich zu gestalten. Sie brauchen außerdem die finanziellen Spielräume, in Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu investieren. Das ist nicht für alle einfach, denn durch die Coronakrise sind viele Reserven aufgebraucht. Trotzdem haben sie die Ärmel längst wieder hochgekrempelt. Nun müssen die Folgen der Pandemie Schritt für Schritt überwunden und strategische Weichen für ein klimaneutrales Industrieland Deutschland gestellt werden.

Agenda für 2030

  • Eine vollständige sichere Versorgung der Unternehmen mit grünem Strom und grünen Brennstoffen zu international wettbewerbsfähigen Preisen bis spätestens 2045 muss sich klar und glaubwürdig abzeichnen.
  • Zahlreiche KI-basierte Lösungen für Produkte und Produktionsprozesse wurden für die Textilindustrie entwickelt und sind im Einsatz. Mithilfe von KI sind wir in der Lage, sämtliche Aspekte des Produktionsprozesses zu planen, zu steuern und zu kontrollieren.

Ingeborg Neumann, geb. 1957, ist Präsidentin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie sowie Vizepräsidentin und Schatzmeisterin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). 1997 gründete sie die Peppermint Gruppe mit Sitz in Berlin. Ihre Unternehmen entwickeln und produzieren innovative Garne, Stoffe und Textilien. Mit mehr als 600 Mitarbeitern erwirtschaften sie an sieben Standorten in Europa einen weltweiten Jahresumsatz von 90 Millionen Euro. Ingeborg Neumann ist auch als Investorin junger Unternehmen aktiv und engagiert sich für bildende Kunst und junge Künstler.