Die Stromversorgung der Zukunft: Erneuerbare Energien und Wasserstoff
Die klimaverträgliche Umgestaltung der Stromversorgung ist mit großen Herausforderungen verbunden. Zum einen geht es um den konsequenten Systemwechsel: von nuklearen und fossilen Großkraftwerken, die über Jahrzehnte die Stromversorgung dominiert haben, auf erneuerbare Energien. Zum anderen kommt dem Stromsystem eine Vorreiterrolle zu. Nahezu alle Szenarien, die sich mit der Erreichbarkeit ambitionierter Klimaschutzziele beschäftigen, gehen davon aus, dass die Dekarbonisierung in der Stromerzeugung etwa ein Jahrzehnt früher als in den Endenergiesektoren abgeschlossen sein muss.
Die Energiequellen des neuen Systems sind vielschichtig und umfassen sowohl kleine Anlagen wie etwa Photovoltaik-Dachanlagen als auch große Anlagen wie Offshore-Windparks. Aufgrund des schwankenden Energieangebots zeigt sich jedoch eine andere Erzeugungscharakteristik. Dabei werden an erneuerbare Energien genauso hohe Ansprüche gestellt wie an das bisherige System: Bezahlbarkeit und vor allem Versorgungssicherheit wissen besonders die industriellen Verbraucher in Deutschland zu schätzen und stellen einen gehörigen Standortvorteil dar.
Der Kohleausstieg müsste bereits 2030 weitgehend abgeschlossen sein.
Als Endenergieträger übernimmt Strom zudem eine wichtige Funktion für die Dekarbonisierung von Industrie, Gebäuden und Verkehr. Der Anteil von Strom im Endenergiemix wird sich Szenarien zufolge von rund 20 Prozent im Jahr 2019 auf 50 Prozent und mehr im Jahr 2050 erhöhen. Für diese Sektorenkopplung braucht es nicht nur weitere technische Entwicklungen, wie beispielsweise elektrische Anwendungen im Bereich Mittel- und Hochtemperaturen, sondern auch die richtigen Rahmenbedingungen und ökonomischen Anreize, vor allem durch eine Anpassung des hochkomplexen energieträgerbezogenen Abgaben- und Umlagensystems.
Abkehr von Stein- und Braunkohle in vollem Gange
Während der Ausstieg aus der Kernenergie infolge der Grundsatzentscheidung vom März 2011 nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima nahezu abgeschlossen ist und die letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland spätestens Ende 2022 vom Netz gehen werden, ist auch die Abkehr von der fossilen Stromerzeugung, vor allem aus Stein- und Braunkohle, in vollem Gange. Im Rheinischen Revier, in der Lausitz und dem Mitteldeutschen Revier wird die Gewinnung von Braunkohle aufgegeben.
Lange wurde über die Bedeutung der Kohle für die sichere Stromversorgung in Deutschland heftig gestritten. Den Knoten zum Platzen gebracht hat die breit besetzte Kommission für »Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung«, die nach nur einem halben Jahr Arbeit Anfang 2019 einen Konsensvorschlag für den Ausstieg aus der Kohle vorgelegt hat. Mit dem Kohleausstiegsgesetz und dem Strukturstärkungsgesetz hat die Bundesregierung Mitte 2020 die rechtlichen Weichen dafür gestellt. Danach sollen bis spätestens 2038 die Kohlekraftwerke stufenweise ihren Betrieb einstellen. Während für Steinkohlekraftwerke ein Ausschreibungsprozess verankert wurde, legt das Kohleausstiegsgesetz für die Braunkohlekraftwerke einen blockscharfen Ausstiegsfahrplan fest. Das Strukturstärkungsgesetz flankiert den Ausstieg aus der Kohlegewinnung und -verstromung: Milliardenhilfen sollen den Strukturwandel in den betroffenen Regionen unterstützen. Den Kraftwerksbetreibern werden Entschädigungen für die vorzeitige Außerbetriebnahme zugesagt. Deren Höhe allerdings wird die Europäische Union noch beihilferechtlich überprüfen.
Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix steigt
Nahezu parallel zu den politischen Entscheidungsprozessen hat sich seit 2017, getrieben durch Entwicklungen am Markt, der Strommix bereits substanziell verändert. Während Stein- und Braunkohle 2017 (2019) zusammen noch 37 Prozent (29,8 Prozent) der Bruttostromerzeugung ausmachten, lag ihr Anteil im Jahr 2020 bei knapp 24 Prozent (16 Prozent Braunkohle, acht Prozent Steinkohle). Damit hat die Windenergie die Kohle als wichtigsten Energieträger für die Stromerzeugung mittlerweile überholt. Die erneuerbaren Energien tragen in Summe – Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft – etwa doppelt so viel zur heimischen Stromerzeugung bei wie Stein- und Braunkohle zusammen. Der Rückzug der Kohle beschränkt sich dabei nicht nur auf alte abgeschriebene Kraftwerke. Zum Beispiel hat sich das moderne Steinkohlekraftwerk Moorburg in Hamburg erfolgreich an der ersten Stilllegungsausschreibung beteiligt und geht nach nur gut fünf Jahren Betrieb im Jahr 2021 vom Netz.
Mit dem Kohleausstiegs- und dem Strukturstärkungsgesetz sind die rechtlichen Weichen für den Kohleausstieg gestellt.
Die Hintergründe für die Veränderungen sind vielschichtig und wurden 2020 durch die COVID-19-Pandemie, während der die Stromnachfrage deutlich zurückgegangen ist, überlagert. Der dynamische Ausbau der erneuerbaren Energien, ein substanzieller Anstieg des CO2-Preises im Europäischen Emissionshandelssystem (ETS) sowie günstige Erdgaspreise haben für einen massiven Rückgang der Kohleverstromung gesorgt. Mit dem Anstieg des CO2-Preises von einem mittleren Wert deutlich unter 10 Euro/ t CO2 2017 auf im Mittel knapp 25 Euro/ t CO2 2020 verschob sich die Merit-Order, also die ökonomische Einsatzreihenfolge der Kraftwerke, und Erdgaskraftwerke verdrängten teilweise Kohlekraftwerke. Der Anstieg des CO2-Preises hat sich 2021 nicht zuletzt aufgrund der erhöhten europäischen Ambitionen für den Klimaschutz fortgesetzt. Im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2021 stieg der CO2-Preis im ETS auf mehr als 50 Euro/ t CO2, der Druck, aus der Kohleverstromung auszusteigen, nimmt damit weiter zu.
Trends, Perspektiven und Herausforderungen für das Stromsystem
Die Klimaschutzziele der Bundesregierung bestimmen entscheidend die Perspektiven und Herausforderungen in der Stromerzeugung. Bis 2045 will Deutschland vollständig treibhausgasneutral sein. Aufgrund seiner Vorreiterrolle muss der Stromsektor diese Zielmarke schon früher erreichen. Der größte Schritt in diese Richtung muss bis 2030 erfolgen. Orientiert man sich an dem Zwischenziel der Bundesregierung für 2030 – Minderung der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 –, dann zeigen Szenarioanalysen eine notwendige Reduktion der Emissionen für den Bereich der Strom-/ Energiewirtschaft auf 98 Mio. t CO2eq (eq steht für CO₂-Äquivalent) und damit um fast 80 Prozent gegenüber 1990. Gegenüber dem Jahr 2018, also in gerade einmal zwölf Jahren, müssen die Emissionen um 206 Mio. t CO2eq reduziert werden. Dies ist nur dann zu erreichen, wenn der Kohleausstieg bis 2030 weitgehend abgeschlossen ist, der Anteil erneuerbarer Energien auf 70 Prozent am Bruttostromverbrauch angestiegen ist, erste noch im System verbleibende Gaskraftwerke mit Wasserstoff betrieben werden und die Umstellung der Fernwärme auf klimaneutrale Wärmequellen begonnen wurde.
Für die Kohlekraftwerke bedeutet dies, dass sie schon acht Jahre vor der im Kohleausstiegsgesetz formulierten Zielmarke vom Netz gehen müssen – das erfordert eine Beschleunigung des Strukturwandels in den Kohleregionen. Das ließe sich durch eine Anpassung des Kohleausstiegsgesetzes erreichen – oder besser durch eine marktliche Steuerung mit hohen CO2-Preisen. Um die Planungssicherheit zu erhöhen, sollten die im ETS ohnehin zu erwartenden Preiseffekte von einem nationalen Mindestpreis für den Stromsektor in Höhe von mindestens 50 Euro/ t CO2 flankiert werden.
Deutschland im internationalen Vergleich
Wäre Deutschland mit einem Kohleausstieg 2030 international Vorreiter? Sicher nicht. Allein in Europa haben Länder wie Großbritannien, die Niederlande, Finnland, Italien und Frankreich erklärt, die Nutzung der Kohle vor 2030 zu beenden. Großbritannien war das erste Land, das aus Klimaschutzgründen eine forcierte Kohleausstiegspolitik angekündigt und auch umgesetzt hat. Vor allem die Einführung der CO2-Steuer im Jahr 2013 hat dazu geführt, dass die Kohleverstromung drastisch eingebrochen ist: Wurden 2012 noch 43 Prozent des Stroms aus Kohle gewonnen, waren es 2020 nur noch weniger als zwei Prozent.
Agenda für 2022
- Anpassung des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) an die erhöhten Klimaschutzziele
- Klares Bekenntnis zur Vorreiterfunktion der Stromwirtschaft für den Klimaschutz und Einführung von nationalen CO2-Mindestpreisen
- Zentrale Entscheidungen für eine Reform des Umlagen- und Abgabensystems für Strom, um Sektorenkopplung attraktiver zu machen und Investitionen anzureizen
- Ausstieg aus der Kernenergie Ende 2022 mit dem Abschalten der letzten drei Kraftwerke in Deutschland
Ausbau von Photovoltaik und Windenergie beschleunigen
Nach 2030 muss die Stromversorgung in Deutschland weiter konsequent umgebaut und letztlich zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien, primär Wind- und Solarstrom, umgestellt werden. Den Szenarioanalysen folgend, tragen 2045 Gaskraftwerke (sechs Prozent), die zunächst mit Erdgas und später mit erneuerbar erzeugtem Wasserstoff betrieben werden müssen, Speichersysteme (vier Prozent) und Stromimporte (2,5 Prozent) mit jeweils wenigen Prozentpunkten zur Stromerzeugung bei und gewährleisten die Versorgungssicherheit auch in wind- und sonnenarmen Zeiten. Insgesamt müssen in Deutschland 2045 rund 50 Prozent mehr Strom als heute erzeugt werden, um die Anforderungen aus der Sektorenkopplung abdecken zu können. Dafür müssen auch neue Gaskraftwerkskapazitäten entstehen, die H2-ready ausgeführt werden müssen, um Lock-in-Situationen zu vermeiden. Grundvoraussetzung für die klimaneutrale Aufstellung der Stromversorgung ist aber die deutliche Beschleunigung des Ausbaus der Photovoltaik und der Windenergie. Zwischen 2030 und 2045 müssen im Mittel jährlich rund 19 GW an Photovoltaikleistung und 10 GW an Windkraftwerksleistung (davon 3 GW/ Jahr offshore) hinzugebaut werden und damit um den Faktor 5,5 (Photovoltaik) beziehungsweise 3,5 (Wind) mehr als im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2020.
Steigender Bedarf an gespeicherter Energie
Diese Transformation mit stetig wachsender Bedeutung volatiler, nicht direkt regelbarer erneuerbarer Energien für die Stromerzeugung markiert einen Paradigmenwechsel weg vom originär auf zentralen, regelbaren Kraftwerken basierenden Versorgungsmodell. Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert mehr Flexibilität: in erster Linie Technologien für die Kurzzeitspeicherung von Strom, zum Beispiel Frequenzhaltung über Batterien. Je weiter wir uns aber auf eine Stromerzeugung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zubewegen, desto mehr steigt der Bedarf, Strom über Tage oder Wochen zu speichern – das geht letztlich nur mithilfe chemischer Energieträger wie Wasserstoff oder daraus abgeleiteten Derivaten. Diese können eine Doppelrolle spielen, indem sie einerseits das Stromsystem stabilisieren und andererseits die Dekarbonisierung der Endenergiesektoren unterstützen. Flexibilitäten entstehen aber auch durch gezieltes Lastmanagement, also durch eine stärkere Steuerung der Stromnachfrage. Die Stromversorgung der Zukunft wird ohne Zweifel komplexer, daher braucht es ein noch besseres Verständnis davon, wie die vielfältigen Komponenten des zukünftigen Stromsystems zusammenspielen. Regionale Reallabore und überregionale virtuell vernetzte Systeme sind dazu geeignete Instrumente.
Wird die Stromversorgung aus Klimaschutzgründen wie beschrieben umgebaut, leiten sich daraus verschiedene Herausforderungen ab, für die zeitgleich Lösungen gefunden werden müssen. Dies betrifft sowohl technisch-strukturell geprägte Herausforderungen als auch solche auf der Akteursebene.
Technisch-strukturelle Herausforderungen sind beispielsweise:
- Gestaltung des Übergangs auf grüne Fernwärme durch das Wegbrechen von kohlebetriebenen Heizkraftwerken, die heute zu den zentralen Stützen der Fernwärmeversorgung gehören. Zahlreiche Unternehmen wie die Stadtwerke München oder die Mannheimer MVV haben bereits mit der Umstellung begonnen oder Konzepte für die Umstellung erarbeitet.
- Bereitstellung hinreichender Flexibilität im System wie Speicher und Lastmanagement zur Kompensation der wegbrechenden regelbaren Kraftwerksleistung. Hiermit verbunden ist auch die Integration neuer Akteure in den Strommarkt und die Entwicklung der dafür notwendigen Anreizsysteme.
- Stärkere Verzahnung des Strommarktes mit den Endenergiesektoren (Sektorenkopplung) und die Etablierung neuer Geschäftsfelder sowie damit verbundener Flexibilitätsoptionen, beispielsweise Power-to-Heat.
- Aufbau von Versorgungsstrukturen mit grünem Wasserstoff, verbunden mit einer aus der Gesamtsystemperspektive heraus notwendigen Einführung einer Wasserstoffwirtschaft.
Akteursbezogene Herausforderungen sind beispielsweise:
- Organisation eines gerechten, die relevanten Akteure in den Kohleregionen mitnehmenden Strukturwandels (just transition) und der Erhalt attraktiver Lebensbedingungen in den Regionen.
- Änderung des Selbstverständnisses der im Strommarkt etablierten Akteure. Zahlreiche große Unternehmen haben bereits angekündigt, ihr Geschäftsfeldportfolio vollständig neu auszurichten: Entweder fokussieren sie sich auf Investitionen in erneuerbare Energien oder wandeln sich zum Energiedienstleistungsunternehmen. Viele Unternehmen haben auch bereits klar formuliert, bis wann sie klimaneutral werden wollen. Mit dem Zieljahr 2025 für eine CO2-freie Stromversorgung gehören die Stadtwerke München sicher zu den Vorreitern, während die meisten anderen Unternehmen eher 2035 oder 2040 anstreben.
- Einbindung von digitalisierungsaffinen Start-ups, um die Möglichkeiten digitaler Technologien für die Systemintegration erneuerbarer Energien und die Flexibilitätssteuerung auszuschöpfen.
- Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten beim Umbau des Stromsystems im europäischen Kontext, insbesondere bei der Fortentwicklung der Energie-, Klima-, Wirtschafts- und Strukturpolitik.
- Systematische Erfassung des Bedarfs an Kompetenzen für die Umsetzung der Transformationsprozesse und die Übersetzung in interne und externe Qualifizierungsprogramme.
Agenda für 2025
- Beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien und der Stromnetzinfrastruktur, etwa durch schlankere Genehmigungsverfahren und bessere Teilhabemöglichkeiten
- Etablierung von Anreizen für Flexibilitätsleistungen, etwa durch regionale Flexibilitätsmärkte der Verteilnetzbetreiber
- Einführung zeitvariabler Energiepreise
- Beschleunigte Ausschreibung und Umsetzung von Strukturwandelprojekten in den Kohlerevieren, dabei vor allem Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen und Zukunftsfestigkeit
Strukturwandel proaktiv begleiten
Der Strukturwandel in den Kohleregionen hat im Grunde schon vor Jahrzehnten begonnen. Dies gilt insbesondere für den Steinkohlebergbau. Haben 1950 dort noch mehr als 500.000 Menschen gearbeitet, wurde mit der Stilllegung der letzten deutschen Zeche in Bottrop 2018 die Beschäftigung quasi beendet. Eine ähnlich dramatische Entwicklung hat es in den ostdeutschen Braunkohlerevieren gegeben. Dort gingen die Beschäftigungszahlen mit Beginn der Wiedervereinigung zwischen 1990 und 2000 von knapp 130.000 auf rund 21.000 zurück. Ein sehr großer Teil des Strukturwandels ist somit bereits erfolgt – bei der Braunkohle allerdings weitgehend ohne staatliche Unterstützung. Mit dem Kohleausstiegs- und dem Strukturstärkungsgesetz soll der Strukturwandel nun proaktiv begleitet werden.
Insgesamt müssen in Deutschland 2045 rund 50 Prozent mehr Strom als heute erzeugt werden, um die Anforderungen aus der Sektorenkopplung abzudecken.
Im Jahr 2020 waren im Braunkohlenbergbau in Deutschland noch etwa 19.500 Personen tätig, einschließlich Beschäftigter in den Braunkohlekraftwerken der allgemeinen Versorgung. Hinzu kommen die damit indirekt verknüpften Arbeitsplätze, etwa in der Vorleistungsindustrie, im Handel und Gewerbe. Da viele der heute im Bergbau Beschäftigten in den nächsten Jahren ohnehin in Rente gehen, geht es im Rahmen des Strukturwandels nicht primär darum, Beschäftigungsalternativen für die aktuelle Belegschaft zu finden. Zentrales Ziel ist vielmehr, mit den rund 40 Milliarden Euro an Bundesmitteln, die in den nächsten Jahren als Strukturhilfemittel fließen sollen, die Kohleregionen insgesamt zukunftsfest aufzustellen. Dabei geht es um die Ansiedlung von zukunftsorientierten Unternehmen, etwa in den Bereichen nachhaltige Energieversorgung, Mobilität, Wasserstoff und Kreislaufwirtschaft. Die Regionen müssen als Produktionsstandort attraktiv gehalten werden, die Menschen brauchen ein gutes Wohn- und Lebensumfeld. Das Angebot qualitativ hochwertiger Jobs sowie Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote spielen damit eine ebenso große Rolle wie die nachhaltige Raum- und Infrastrukturentwicklung.
Dabei unterscheiden sich die drei großen Kohlereviere wesentlich in ihren Ausgangsbedingungen, was bei der Gestaltung des Strukturwandels zu berücksichtigen ist. Im Rheinischen Revier bieten sich durch die Nähe zu den Innovationszentren in Aachen, Köln, Leverkusen und Düsseldorf ganz andere Möglichkeiten als etwa in der strukturschwachen Lausitz. Gemeinsam ist den drei Regionen aber, dass sie mithilfe der Bundesmittel die Chance nutzen müssen, eine Innovations- und Demonstrationsregion mit Ausstrahlung und Multiplikationseffekt zu werden. Ausstrahlung ist dabei in zwei Richtungen notwendig. Nach außen ist sie wichtig, um über Systemlösungen vor Ort Exportpotenziale generieren zu können. Nach innen geht es vor allem darum, die Entstehung einer neuen Identität und eines neuen Zusammengehörigkeitsgefühls in der Region zu unterstützen – ohne die hat der Strukturwandel kaum Erfolgschancen.
Integrative Perspektive gefordert
Die strukturpolitische Debatte ist, historisch betrachtet, eine ökonomische Debatte. Traditionell zielen strukturpolitische Interventionen mit Blick auf Arbeitsplätze darauf ab, die Wirtschaftsleistung einer Branche beziehungsweise einer Regionalökonomie zu erhalten oder zu verbessern. Dabei haben in der Vergangenheit oft globale Effekte im Rahmen der globalisierten Wertschöpfungsketten oder technologische Fortschritte einen Strukturwandel ausgelöst. Beim Braunkohleausstieg hingegen sind klimapolitische Vorgaben das auslösende Moment. Die Politik steht daher in einer besonderen Verantwortung, die mit den Veränderungen verbundenen ökonomischen und sozialen Effekte abzufedern. Dafür braucht es von Anfang an eine integrative Perspektive.
Agenda für 2030
- Ausbau des gesamteuropäischen Stromverbundsystems durch Verstärkung der grenzüberschreitenden Kuppelstellen
- Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur und Etablierung eines internationalen Wasserstoffmarktes
- Anreize für die Umstellung auf grüne Fernwärme
- Schaffung der regulativen Rahmenbedingungen für Transformation des bestehenden Erdgasnetzes hin zu Wasserstoff
- Monitoring des Strukturwandels in den Kohleregionen und gegebenenfalls Anpassung von Förderrichtlinien und -schwerpunkten