Lebensmitteleinzelhandel: Mit neuen Ideen zum Ziel

Das Credo des deutschen Lebensmitteleinzelhandels (LEH) ist so schlicht wie prägnant: »Mittel zum Leben« hat sich unsere Branche bei der Versorgung von hierzulande mehr als 83 Millionen Menschen auf die Fahnen geschrieben. Eine der daran geknüpften Verantwortungsdimensionen ist jedoch höchst komplex. Oder anders formuliert: Beim Klimaschutz handelt es sich um die größte globale Herausforderung der Menschheitsgeschichte.

Die Bündelung von Sortiments­vielfalt durch die Vollsortiments­geschäfte minimiert den Indivi­dualverkehr. Der stationäre Handel ist so hinsichtlich Nachhaltigkeit dem Onlinehandel überlegen.

Das Leitmotiv des Lebensmitteleinzelhandels charakterisiert zugleich seinen gesellschaftlichen Auftrag. Rund 38.000 Geschäfte und die vielen Lieferdienste gerade in den Städten bieten hochwertige, sichere und bezahlbare Lebensmittel an. Sie gewährleisten die Versorgung der Bevölkerung in praktisch jedem Winkel unseres Landes. Ob Stadt oder Land – keine andere Branche ist flächendeckend so präsent und regional so fest verankert. Auch abseits der Ballungszentren garantieren gut erreichbare Supermärkte mit Vollsortiment ein vielfältiges Warenangebot. »One-Stop-Shopping« heißt diese Serviceleistung mit bis zu 60.000 Artikeln. Von dieser Infrastruktur profitieren täglich bis zu 41 Millionen Kundinnen und Kunden. Unsere Branche fungiert als zentrale Schnittstelle zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern, der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie. Gleichzeitig zählt sie mit etwa einer Million Beschäftigten zu den wichtigsten Arbeitgebern und Ausbildern des Landes und profiliert sich als regionaler Wirtschaftsförderer und lokaler Steuerzahler. Mit aktuell 166 Milliarden Euro Jahresumsatz gilt der LEH auch über Pandemiezeiten hinaus als systemrelevante, tragende Säule der deutschen Wirtschaft und spielt eine entscheidende Rolle beim Schutz von Natur, Umwelt und Klima.

Zeit für Ehrlichkeit im Sortiment

Die Coronapandemie führte uns in zum Teil extremer Weise vor Augen, wie aufwendig die Versorgung der Bevölkerung und gleichzeitig leistungsfähig die gesamte Wertschöpfungskette ist. Die heutige Breite und Tiefe der Sortimente erfordert permanente Höchstleistungen. Denn das Angebot in den Lebensmittelmärkten ist mit Produkten aus verschiedenen Regionen und Ländern so abwechslungsreich wie nie. Die Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen das zwar, achten beim Einkauf jedoch verstärkt auch auf die regionale Herkunft und eine nachhaltige Erzeugung ihrer Lebensmittel.

Hier müssen wir umdenken. In der globalen Lebensmittelwirtschaft gibt es enormen Handlungsbedarf, denn Erzeugung, Transport, Verarbeitung und letztlich auch die Entsorgung von Lebensmitteln werden noch zu selten ganzheitlich betrachtet, und die jeweiligen Kosten werden internalisiert: Monetäre Aufwände für Umwelt- und Klimaschutz werden in den arbeitsteiligen Produktions-, Liefer- und Verwertungsketten zumeist nur unzureichend berücksichtigt. Umweltschäden wie Treibhausgasemissionen, Boden- und Wasserverschmutzung oder auch die Minderung der Artenvielfalt werden fast immer pauschal auf die Gemeinschaft abgewälzt. Es fehlt eine vollständige Transparenz entlang der Wertschöpfungsketten. Jetzt ist die Zeit für eine offene Diskussion über die Internalisierung externer Umweltkosten. Eine Lösung könnte ein true lifecycle cost-Ansatz darstellen. Dieser berücksichtigt marktwirtschaftlich differenziert den tatsächlichen Wert der Lebensmittel, indem auch Faktoren wie Umweltbelastung und Dienstleistungen für Ökosysteme konkret beziffert werden. Das Ergebnis: Die Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten ökologische Klarheit, und die tatsächlichen Preise entfalten eine Lenkwirkung hin zu mehr Umweltbewusstsein.

Entscheidend ist, dass wir den Hebel aktiv in der Erzeugung unserer Nahrungsmittel ansetzen: Die immer umweltfreundlichere Produktion muss im Mittelpunkt aller Strategien stehen, um die realen Umweltkosten dauerhaft zu senken. Dazu müssen die Erzeuger, Agrarexpertinnen und Agrarexperten sowie anerkannte, lösungsorientierte NGOs vorbehaltlos und konsequent zusammenwirken. Das gemeinsame Ziel muss lauten, Umweltschäden in den Anbau- und Produktionsländern auf ein Minimum zu reduzieren. Nur so können sich die tatsächlichen Kosten den aktuellen Marktpreisen annähern. Der wirtschaftliche Vorteil liegt auf der Hand: Mittelfristig steigern ökologisch vorteilhafte, klimafreundliche Erzeugnisse spürbar ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Wirklich nachhaltig in Bewegung

Ohne eine ausgefeilte Logistik gäbe es keine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung. Unsere Kundinnen und Kunden erwarten zu Recht jederzeit frische und einwandfreie Lebensmittel. Bei der typischen Just-in-time-Belieferung ist der LEH auf der »letzten Meile« auf den Einsatz von Lkw angewiesen, denn kürzere innerstädtische Strecken und Belieferungsintervalle prägen das Geschäft. Ein Baustein zur emissionsärmeren Mobilität der Zukunft ist hier die mittelfristige Umstellung der Fuhrparks auf alternative Antriebstechnologien – natürlich ohne dabei die Wirtschaftlichkeit aus den Augen zu verlieren.

Allerdings sind Fahrzeugleistung, Ladeinfrastruktur und Ladezeiten nach wie vor eher ein Hemmschuh als ein Durchbruch für schwere Elektro-Lkw. Es gibt einen anderen Hoffnungsträger: Brennstoffzellen-Lkw. Sie haben erhebliche Vorteile – für Unternehmen und das Klima. Je schwerer ein Fahrzeug ist und je häufiger es auch auf kurzen Strecken fährt, desto sinnvoller ist es, den Strom für den Elektroantrieb über geräuschärmere Brennstoffzellen zu produzieren. Auf tonnenschwere Batterien kann so verzichtet werden. Zudem verspricht die Wasserstofftechnologie ähnlich kurze Betankungszeiten wie bei herkömmlichen Kraftstoffen. Und sie ist Studien zufolge deutlich abnutzungsresistenter. Dies macht sie für Handelsunternehmen wirtschaftlich attraktiv. Sollten sich diese Vorteile mittel- bis langfristig bestätigen, könnte eine wasserstoffbetriebene Lkw-Flotte im Lebensmittelhandel bis spätestens zum Ende dieses Jahrzehnts die Laderampen und die Straßen dominieren.

Dafür brauchen wir ein koordiniertes Vorgehen von Herstellern, Politik und Handel. Wie das funktionieren kann, zeigt ein 2020 gestarteter Feldversuch in Schleswig-Holstein. Dabei engagiert sich der EDEKA-Verbund gemeinsam mit weiteren Partnern dafür, CO2-neutralen Wasserstoff in den Schwerlastverkehr zu bringen.

Außerdem verbessern wir kontinuierlich die logistischen Prozesse. Zum einen entstehen dank neuer digitaler Tools Bündelungseffekte beim Transport der Waren. So werden bereits heute spezielle Drei-Kammer-Lkw genutzt, die gleichzeitig frische, gekühlte und tiefgekühlte Ware transportieren können. Einzelne Märkte müssen so nicht mehr von drei verschiedenen Lkw-­Typen angefahren werden. Zum anderen hilft Tourenmanagement-Software dabei, überflüssige Wegstrecken zu vermeiden. Die Waren werden effizient und zugleich klimaschonend transportiert. Über die Verlagerung von Warentransporten in Rand- und Nebenzeiten könnte zudem speziell der innerstädtische Verkehr erheblich entlastet werden. Staus und Engpässe, häufig verursacht durch Ladetätigkeiten in zweiter Reihe, würden so umgangen. Und die Kommunen erhielten Unterstützung bei der Einhaltung von Schadstoffgrenzwerten. Gelebte Praxis ist die kontinuierliche Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zum Beispiel durch Schulungen zum spritsparenden Fahren.

Agenda für 2022

  • Auf dem Weg zu mehr Klimaschutz bedarf es stärker aufeinander abgestimmter Maßnahmen von Politik und Wirtschaft.
  • Wir brauchen eine ideologiefreie, technologie­offene und marktorientierte Gesamtstrategie für eine zuverlässige und wirtschaftlich sinnvolle Energieversorgung.
  • Die Politik ist gefordert, diverse bürokratische Hürden und Meldepflichten für Unternehmen ­abzubauen. Dadurch könnten kurzfristig erhebliche Investitionen in Klimaschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen generiert werden.

Mit dem Stromer einkaufen und ausliefern

Wenn die Herstellung von Lebensmitteln klimafreundlicher erfolgt und die Logistik auf minimale Emissionen setzt, dann gilt es, auch den CO2-Fußabdruck der Verbraucherinnen und Verbraucher so klein wie möglich zu halten. Längst wird der Lebensmitteleinkauf hierzulande zunehmend zum ganzheitlichen Genusserlebnis. Gastronomieangebote runden heute vielfach den Besuch im Supermarkt ab. Zudem prägt One-Stop-Shopping das Einkaufen: Die Kundinnen und Kunden steuern gezielt Einkaufsstätten an, in denen sie in modernem Ambiente alle relevanten Sortimente und Produkte vorfinden. Die Bündelung von Sortimentsvielfalt und Dienstleistungsangeboten reduziert die Kosten für die Warendistribution zwischen Hersteller und Handel und minimiert den Individualverkehr. Mit dieser Effizienz ist der stationäre Handel hinsichtlich Nachhaltigkeit dem Onlinehandel überlegen, der jeden gekauften Artikel einzeln verpackt und liefert.

Mehrfache Fahrten werden also durch Nutzung moderner Einkaufsstätten immer öfter hinfällig. Der Weg zum Supermarkt des Vertrauens muss dennoch angetreten werden. Um die dabei entstehenden Emissionen weiter zu verringern, ist die Elektrifizierung des Individualverkehrs ein entscheidender Faktor. Die Formel ist bekannt: mehr Stromer, weniger Emissionen. Voraussetzung dafür: Erst wenn es in den Städten und auf dem Land ein engmaschiges Netz aus Ladestationen gibt, werden viele Menschen auf Elektroautos umsteigen. Und hier ist die Vision recht klar: Supermärkte könnten für ihre Kundinnen und Kunden schon bald zu den Tankstellen werden, an denen sie während des ­Wocheneinkaufs ihre Fahrzeuge aufladen. Auch hier ist die Politik gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und privatwirtschaftliche Initiativen zu fördern.

Nun ist nicht jeder Mensch in gleichem Maße mobil. Personen, die nicht regelmäßig Supermärkte besuchen können oder wollen, benötigen ebenfalls entsprechende Versorgungsangebote. Eine Antwort sind moderne Lieferservices. Gegenwärtig zeichnen sich allerdings noch viele Lieferdienste durch ökonomische und ökologische Unvernunft aus. Durch sehr eng einzugrenzende Lieferzeitfenster und eine Belieferung mit konventionell betriebenen Fahrzeugen lassen sich Warenlieferungen nur selten bündeln, was wiederum den Emissionsausstoß fördert. Ansätze wie das »Milchmann-Prinzip« weisen hier den Weg: Mit festen Liefertagen und -routen lassen sich Warenvolumina intelligent bündeln und die Liefereffizienz steigern. In Kombination mit einer engmaschigen Hub-Lagerstruktur und dem Einsatz von elektrisch oder mit Wasserstoff betriebenen Kurzstreckenfahrzeugen ist das Milchmann-Prinzip eine scharfe Waffe gegen klimaschädliche Emissionen.

Ein weiterer wirkungsvoller Hebel liegt in der vollständigen Digitalisierung der Werbung. Gegenwärtig dominieren noch die Flugblätter, die zweimal wöchentlich die Briefkästen der Kundinnen und Kunden füllen. Hier bieten eine konsequente Digitalisierung und Individualisierung enormes Potenzial: Emissionen in der Papierherstellung und der Auslieferungslogistik entfallen, und Streuverluste werden vermieden.

Klimafreundliche Marktwirtschaft

Selbstverständlich gilt es, auch die Supermärkte selbst auf maximale Klimafreundlichkeit zu trimmen. Die Zeiten, in denen Trockensortimente wie beispielsweise Zucker, Mehl und Kaffee oder auch Nudeln und Konserven die Supermarktregale prägten, sind längst Geschichte. Täglich frische, gut gekühlte Lebensmittel – ob für zu Hause oder »to go« – sowie tiefgekühlte Produkte gehören fest zum Angebot in den Supermärkten. Um die Präsentation dieser sensiblen Warengruppen jederzeit adäquat sicherzustellen und ihre Qualität zu erhalten, sind die Unternehmen – insbesondere die Supermärkte mit Vollsortiment – auf energieintensive Kältetechnik angewiesen. Das fängt bei den Servicetheken für Fleisch, Wurst, Käse, Salate und Fisch an und geht über Kühlregale für Joghurt, Quark und Milch bis hin zu den Truhen für Tiefgefrorenes. Hinzu kommen die Kühlräume und Kühlhäuser in den Logistikzentren, die dem Einzelhandel vorgelagert sind. Auch die Kühlaggregate beim Transport der Lebensmittel verbrauchen viel Energie. Allein aus Kostengründen stellt dies unsere gesamte Branche kontinuierlich vor immense Herausforderungen. Der Stromverbrauch nimmt mittlerweile rund drei Viertel der gesamten Energiekosten im Lebensmitteleinzelhandel ein. Und die immer weiter steigenden Stromkosten binden Kapital für mögliche Klimaschutzinvestitionen.

Dabei gilt es allerdings zu bedenken: Der Anteil von uns Händlerinnen und Händlern am Stromverbrauch aller Branchen liegt bei lediglich sechs Prozent. Trotzdem schultern die Unternehmen des Lebensmittelgroß- und -einzelhandels heute bereits rund zehn Prozent der Kosten für den Ausbau von erneuerbaren Energien.

Agenda für 2025

  • Wir brauchen eine Abwrackprämie für ältere, klimaschädliche Kühlmöbel. In der Folge würden verstärkt klimafreundlichere Technologien angeschafft und Emissionen weiter gesenkt.
  • Supermärkte könnten die Tankstellen der Zukunft werden, an denen Kundinnen und Kunden während ihres Wocheneinkaufs ihr Fahrzeug aufladen. Die ­Politik muss mittelfristig die Rahmenbedingungen für ein zuverlässiges Ladeinfrastrukturnetz schaffen.

Es braucht den Willen zum Bürokratieabbau

Die Handelslandschaft zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen wird von einer heterogenen Immobilienstruktur geprägt. Nur teilweise gehören die genutzten Gebäude den Handelsunternehmen selbst. Der überwiegende Teil sind Mietobjekte. Und hier offenbart sich ein ärgerliches Hindernis auf dem Weg zu verbessertem Klimaschutz, denn auf gemieteten Gebäuden ist die Installation klimafreundlicher Photovoltaikanlagen nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Ein weiterer Hemmschuh: Aufgrund wirtschaftlicher, rechtlicher – und nicht selten auch politischer – Rahmenbedingungen darf der auf einem Supermarktdach produzierte Strom nicht ohne Weiteres in eine Ladesäule für E-Autos geleitet werden. Ebenso wenig ist es für einen gemieteten Supermarkt praktikabel, den selbst produzierten Strom selbst zu nutzen, da zwischen Stromerzeuger und -abnehmer noch immer eine Personenidentität bestehen muss. Hier schnappt die Kostenfalle erneut zu: Besteht diese Identität nicht, müssen anstelle von 40 Prozent EEG-Umlage 100 Prozent entrichtet werden. Flankiert von erheblichen bürokratischen Hürden sowie diversen Meldepflichten für Unternehmen, wird das Thema Klimaschutz mitunter zum schwierigen Parcours. Das muss sich ändern.

Flankiert von erheblichen bürokratischen Hürden sowie diversen Meldepflichten für Unternehmen, wird der Klimaschutz mitunter zum schwierigen Parcours.

Doch auch das ist Fakt: Bereits seit Jahren zählt energieeffizientes Wirtschaften in den deutschen Handelshäusern zum gelebten Alltag. Wir achten darauf, den Stromverbrauch zu regulieren und verantwortungsvoll zu managen. Solarenergie und Geothermie rücken hierbei verstärkt in den Fokus. Auch Batteriespeichersysteme können eine sinnvolle Ergänzung sein. Ressourcen­schonend errichtete, hocheffiziente Super- und Verbrauchermärkte, bei denen die eigene Stromerzeugung und -versorgung uneingeschränkt möglich ist, sollten mittelfristig ein konkretes Etappenziel sein.

Individuelle Gebäude- und Ladenbaukonzepte sind
ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Dabei kommen beispielsweise natürliches Tageslicht oder energiesparende LED-Beleuchtung ebenso zum Tragen wie effiziente Wärmerückgewinnungssysteme und natürliche, umweltfreundliche Kältemittel und -anlagen.
Bei Neubauten setzen wir zunehmend auf ganzheitliche Green-Building-Konzepte – beispielsweise nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen.

Die Unterzeichner der Klimaschutzerklärung des deutschen Einzelhandels – zu denen auch EDEKA gehört – haben so seit 2013 mehr als 500 Millionen Euro in Energieeffizienzmaßnahmen investiert. Durch die vielfältigen Maßnahmen ist es dem Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistung (GHD) gelungen, den CO2-Ausstoß im Vergleich zum Jahr 1990 um 54 Prozent zu reduzieren. Insgesamt konnten gut 110.000 Tonnen
 CO2 eingespart werden. Zudem hat es der Handel ­geschafft, seinen Strombedarf jährlich um 200.000 ­Megawattstunden zu reduzieren – das entspricht etwa dem Jahresverbrauch einer Kleinstadt.

Marktorientiert neue Anreize schaffen

Uns Händlerinnen und Händlern ist bewusst, dass es sich bei den eigenen Aktivitäten zum Klimaschutz um einen kontinuierlichen und langfristig ausgerichteten Prozess handeln muss. Gleichzeitig sind alle Beteiligten – ob aus Wirtschaft oder Politik – aufgefordert, zum Erreichen der Klimaschutzziele weitere, idealerweise aufeinander abgestimmte Maßnahmen einzuleiten und erheblich zu investieren.

Um zugleich eine zuverlässige und wirtschaftlich sinnvolle Energieversorgung für Deutschland sicherzustellen, bedarf es einer ebenfalls langfristigen, integrierten Gesamtstrategie. Im Energiemix der Zukunft werden die erneuerbaren Energien die konventionellen Energieträger schrittweise ersetzen. Das funktioniert am besten über ideologiefreie, technologieoffene und marktorientierte energiepolitische Konzepte. Einerseits gilt es, die fraglos auch im Handel weiterhin vorhandenen Effizienzpotenziale auszuschöpfen, um Energie- und Ressourceneinsparungen voranzutreiben. Andererseits ist die Nutzung von erneuerbaren Energien ein weiterer essenzieller Baustein der Energiewende. Dabei spielt nicht nur deren stetiger Ausbau eine wichtige Rolle, sondern auch daran gekoppelte Speicherkapazitäten müssen erhöht werden.

Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Indem Industrie und Handel Non-Food-Produkte und Investitionsgüter noch konsequenter langlebig, kreislauf- und reparaturfähig gestalten, entstehen in den Unternehmen finanzielle Spielräume, um in Klimaschutz und Energieeffizienz zu investieren. Ergänzend könnte eine seitens der Bundespolitik initiierte »Klimaoffensive Mittelstand« ebenfalls dazu beitragen, Handelsunternehmen zusätzliche Horizonte zu eröffnen. Beispielsweise könnten Abwrackprämien für ältere, klimaschädliche Kühlmöbel als zielgenauer Anreiz dienen, neue Technologien anzuschaffen und dadurch Emissionen weiter zu senken.

Es ist die Vielfalt an Ideen, Initiativen und Methoden, die zum Ziel führt. Und das ist längst definiert: den individuellen CO2-Fußabdruck zu reduzieren, damit wir gemeinsam die Erderwärmung auf maximal 1,5 °C begrenzen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass starke Schultern mehr leisten können als schwache. Im Sinne der sozialen und Generationengerechtigkeit gilt es, solidarisch vorzugehen. Um die Ziele mittel- bis langfristig zu erreichen, sind konzertierte, kaskadische und sozial gerechte Vorgehensweisen der einzige Weg.

Agenda für 2030

  • Es fehlt eine vollständige Transparenz entlang der Wertschöpfungsketten. Wir brauchen eine offene Diskussion über die Internalisierung externer Umweltkosten. Eine Lösung könnte in diesem Zusammenhang ein true lifecycle cost-Ansatz darstellen.
  • Unser gemeinsames Ziel muss es sein, Umweltschäden direkt in den Anbau- und Produktionsländern auf ein Minimum zu reduzieren. Dadurch werden ökologisch vorteilhafte, klimafreundliche Lebensmittel ihre Wettbewerbsfähigkeit spürbar steigern.

Markus Mosa, geb. 1967, ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der EDEKA-Zentrale. Dort leitet er die strategische Führung und Weiterentwicklung des EDEKA-Verbunds und verantwortet die Ressorts Einkauf, Produktion, IT, Revision, Unternehmenskommunikation sowie die Unternehmenstochter Netto Marken-Discount. Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln begann der gebürtige Rheinländer seine berufliche Laufbahn 1994 bei der SPAR Handels AG, wechselte 1999 zu Netto Marken-Discount und führte das Unternehmen von 2001 bis 2007 in die Spitzengruppe der deutschen Discounter.