Mehr Güter auf die Schiene

Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung ihr Klimaziel verschärft: Deutschland soll nicht erst 2050, sondern bereits 2045 klimaneutral sein. Damit bekommt auch der gesamte Verkehrssektor ein neues Ziel. In einer ersten Etappe bis 2030 sollen durch Mobilität nur noch 85 Millionen Tonnen CO2 statt wie bisher 95 Millionen Tonnen ausgestoßen werden dürfen. Das bedeutet auch: Güter gehören auf die Schiene. Diese politische ­Forderung ist ein gutes Dutzend Legislaturperioden alt. Es war SPD-Verkehrsminister Georg Leber, der 1967 erstmals forderte, dass der schwere Güterverkehr dort rollen soll, wo mit höchster Effizienz große Mengen bewegt werden: auf dem engmaschigen Schienennetz der Deutschen Bahn.

Beim Neu- und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur in Deutschland sollte die Schiene Priorität im Bundeshaushalt bekommen.

Dass im Jahr 2021 der Schienengüterverkehr zum entscheidenden Hebel für eine klimafreundliche Verkehrswende wird, konnte vor mehr als 50 Jahren noch niemand wissen. Dabei liegt es auf der Hand: Ein Güterzug ersetzt bis zu 52 Lkw. Damit werden im Vergleich zur Straße 80 bis 100 Prozent weniger CO2 ausgestoßen. Um die neuen Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, müssen die Güter auf die Schiene. Derzeit werden 74 Prozent der schweren Güter mit dem Lkw quer durch die Republik gefahren. Das hinterlässt in unserer Atmosphäre pro Jahr 40 Millionen Tonnen CO2 – was rund einem Viertel des gesamten CO2-Ausstoßes im Verkehrssektor entspricht. Auf der Schiene hingegen werden 18 Prozent der Güter in Deutschland transportiert, und der Anteil am CO2-Ausstoß im Verkehrssektor beträgt lediglich 0,8 Prozent.

Leistung, Kosten und grüne Energie: Schiene schlägt Lkw

Abgeleitet aus den Zielen der Europäischen Union im »Fit for 55«-Programm, müssen bis 2030 beim Lkw-Transport weitere 20 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Wie soll das gehen? Wollen wir Autobahnen flächendeckend mit Oberleitungen ausbauen und Lkw im Konvoi – sogenannten Platoons – fahren lassen? Dieses Prinzip praktiziert der Schienenverkehr doch seit fast 200 Jahren: Güterzüge mit bis zu 52 Wagen bewegen sich heute auf einem Umweltnetzwerk mit 35.000 Kilometern Schienenstrecke durch Deutschland. Zudem operiert die Deutsche Bahn traditionell europäisch und global: 13 Güterverkehrskorridore bilden das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Rund 20.000 Züge fährt DB Cargo pro Woche durch ganz Europa, mehrmals täglich rollen auch Züge nach China. Das System Eisenbahn arbeitet dabei hocheffizient: Eine Güterzuglok mit gut rund 6.000 PS zieht bis zu 3.000 Tonnen Fracht. Auf der Straße ist dafür fast das Vierfache an Leistung von Lkw-Motoren nötig.

Auch beim Kostenvergleich schneidet die Schiene deutlich besser ab als die Straße. Zwar erscheint der Gütertransport per Lkw auf den ersten Blick kostengünstiger. Das ist er aber nicht, wenn wir jene Kosten hinzurechnen, die wir alle bezahlen: die Folgen der Treibhausgasemissionen, von Unfällen, Lärm und Flächenversiegelung. Die externen Kosten für Verkehr in Deutschland belaufen sich auf jährlich rund 150 Milliarden Euro. Davon entfallen 95 Prozent auf den Straßenverkehr. Die Kosten für den täglichen Stau auf den Straßen sind dabei nicht einmal eingerechnet. Je 1.000 Tonnenkilometer liegen die externen Kosten im Straßenverkehr laut INFRAS-Studie von 2019 bei 29,80 Euro. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Stau sind darin nicht enthalten. Im Schienenverkehr dagegen belaufen sich die externen Kosten für 1.000 Tonnenkilometer nur auf 9,50 Euro.

Gegenüber der Straße ist die Schiene auch die deutlich grünere Option. 95 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene sind elektrisch. Die restlichen fünf Prozent entstehen durch Rangierbetrieb und auf den letzten Meilen zum Kunden. Hier werden alternative Antriebe und Treibstoffe für Klimaneutralität sorgen, selbst – oder gerade – die älteren Dieselloks kommen mit alternativen Treibstoffen erstaunlich gut zurecht. Immer mehr Kunden buchen zudem 100 Prozent grünen Bahnstrom – das ermöglicht vollständig klimaneutrale Lieferketten auf der Schiene. Die gesamte DB ist der größte Ökostromverbraucher in Deutschland. Aktuell liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Bahnstrommix bei rund 61 Prozent, der Bahnstrom ist damit doppelt so grün wie der klassische Haushaltsstrom. Bis 2030 will die DB den Ökostromanteil am Bahnstrommix auf 80 Prozent erhöhen, bis 2038 sollen es 100 Prozent sein. Auch der kombinierte Verkehr – also der Mix verschiedener Verkehrsträger wie Güterzug und Lkw oder Schiff – soll grüner werden: Bis 2030 sollen insgesamt 50 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das ist so viel, als würde man jedes Jahr ein großes Steinkohlekraftwerk abschalten.

Um den Schienenverkehr voranzubringen, sind einige Themen von zentraler Bedeutung: der nachhaltige Ausbau der Infrastruktur, die Digitalisierung und Automatisierung im Bahnbetrieb, die Entwicklung neuer Technologien und die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen. Verkehrswende und klimafreundliche Logistik müssen in den Fokus rücken.

Agenda DB Cargo

  • Güter auf der Schiene zu transportieren ist aktiver Klimaschutz. Ein Güterzug ersetzt 52 LKW und spart so automatisch 80 bis 100 Prozent CO₂. Damit Deutschland und Europa ihre Ziele im Klimaschutz erreichen, muss der Anteil der Schiene im Verkehrsmix von heute 18 Prozent bis 2030 auf 25 Prozent wachsen. Als größtes Schienengüterverkehrsunternehmen in Europa leistet DB Cargo dazu einen großen Beitrag.
  • DB Cargo setzt verstärkt auf Bahnlogistik und ­erweitert sein Geschäft zum Anbieter kompletter Logistikketten. Kunden des Schienengüterverkehrs bekommen somit künftig deutlich mehr Service angeboten. Um den Zugang zur Schiene zu erleichtern, werden Straße und Schiene noch besser verknüpft – die Anzahl der nationalen und internationalen Terminals und die Präsenz in den Häfen ­werden europaweit ausgebaut.
  • Der Einzelwagenverkehr wird wegen seiner großen volkswirtschaftlichen Bedeutung gestärkt, und es werden Direktverbindungen über Nacht zwischen großen Wirtschaftszentren angeboten.
  • Bis 2030 wird der Ökostromanteil am DB-Bahnstrommix auf 80 Prozent erhöht, bis 2038 sogar auf 100 Prozent. Außerdem werden klassische Diesellokomotiven bis 2030 durch Hybridloks beziehungsweise Loks mit alternativen Antriebsformen ersetzt.

Schieneninfrastruktur ausbauen

Für den Erhalt der vorhandenen Schieneninfrastruktur ist die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Deutscher Bahn ein gutes Instrument. Nun geht es jedoch um den weiteren Streckenausbau der klimafreundlichen Schiene, denn nur durch den Ausbau der Schieneninfrastruktur lässt sich der Anteil des Schienengüterverkehrs am Gesamtgüterverkehr steigern. Daher sollte beim Neu- und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zukünftig die Schiene Priorität im Bundeshaushalt bekommen und mindestens zwei Drittel des hierfür zur Verfügung stehenden Etats erhalten.

Für mehr Güterverkehr kann aber noch mehr getan werden: Wir brauchen leistungsfähige Verladeterminals, um Güter von der Straße auf die Schiene und von der Schiene auf die Straße zu verladen. Der Zugang von Unternehmen zum Schienentransport soll grundsätzlich einfach sein und räumlich so nah wie möglich erfolgen können. Deshalb sollten Gewerbegebiete in Deutschland mit Gleisanschlüssen ausgestattet werden. Sinnvoll wäre, bei der Planung neuer Gewerbegebiete auch mögliche Anschlüsse an das Schienennetz zu prüfen. Ein guter Ansatz ist, dass der Bund den Neubau und die Reaktivierung von Gleisanschlüssen für Unternehmen heute mit 50 Prozent der Kosten fördert – diese Förderung sollte über das Jahr 2025 hinausgehen.

Nachhaltige Mobilität durch Nachtsprung und kombinierten Verkehr

Ziel der DB Cargo ist außerdem, das Angebot von Nachtsprung- und Direktverbindungen zwischen ­Wirtschaftszentren als Teil des Einzelwagennetzwerks auszubauen. Einzelwagenverkehr bedeutet: Wir rangieren den Güterzug oder eben den einzelnen Wagen direkt bis zum Kunden an die Laderampe. In unseren Rangierbahnhöfen bündeln wir die Einzelwagen zu großen Zügen und fahren sie über Knotenpunkte an ihr Ziel. Derzeit werden in neun großen Rangierknotenpunkten sowie mehr als 140 mittleren und kleineren Rangierbahnhöfen täglich mehr als 2.200 Züge zusammengestellt.

Es gilt, vieles neu zu denken und neu zu bewerten – dazu zwingen auch Ereignisse wie Flutkatastrophen, Hitzeperioden sowie Waldbrände und Dürren.

Ein weiterer Hebel für nachhaltige Mobilität ist der kombinierte Verkehr, bei dem das für die jeweilige Etappe passende Transportmittel eingesetzt wird. Ganze Container, Wechselbehälter sowie Sattelanhänger werden beispielsweise vom Lkw auf den Zug oder auch das Schiff umgeladen. Der Verladevorgang erfolgt an Terminals, die sich in Güterverkehrszentren, See- oder Binnenhäfen befinden. Beispielsweise übernimmt die klimafreundliche Schiene die Langstrecke von Terminal zu Terminal, während der Lkw nur auf der ersten und letzten Meile zwischen Unternehmen und den Terminals zum Einsatz kommt. Wo es geht, gehören Güter auf die Schiene. Wo es nicht geht, nutzen wir bei der Lieferung oder Abholung einen Lkw mit möglichst ­alternativem Antrieb.

Digitalisierung schafft mehr Kapazität auf der Schiene

In einem finanziellen und organisatorischen Kraftakt kann das gesamte Bundesschienennetz bis zum Jahr 2035 digitalisiert werden. Nötig sind dafür digitale Stellwerke sowie die Ausstattung von Fahrzeugen und Strecken mit der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS (European Train Control System). Die Kapazitäten des Schienennetzes lassen sich nur mit der ETCS-Ausrüstung steigern. Loks und Güterwagen sollten durch die digitale Ausrüstung ebenfalls intelligent werden. Der Bund fördert mit dem Programm »Digitale Schiene Deutschland« die Digitalisierung des Schienennetzes. Im Ergebnis könnten dann 20 bis 30 Prozent mehr Züge fahren, ohne dass ein einziger Meter Schiene neu gebaut werden muss.

Damit die Güter auf die Schiene kommen und jeder Kunde einen schnellen Zugang erhält, ist die Buchung eines Güterverkehrstransports heute so einfach wie Onlineshopping. Mit einigen Klicks kann der Warentransport in unserem Netzwerk online mit allen Komponenten auch von Tür zu Tür gebucht werden. Die Ladung wird beim Kunden abgeholt, auf die Schiene verladen, zum Zielort transportiert und am nächsten Tag ausgeliefert. Auch Kunden ohne eigenen Gleisanschluss erhalten so einen Zugang zur Schiene. Der flächendeckende Einzelwagenverkehr gewährleistet zudem, dass auch Unternehmen mit geringem Transportvolumen im ganzen Land Zugang zum Gütertransport auf der Schiene haben. Er nutzt dabei die Vorteile des größten europäischen Schienennetzwerks mit seinen hochfrequenten Verbindungen. Im Einzelwagenverkehr werden täglich rund 15.000 Wagen transportiert, ein Drittel davon sind internationale Transporte.

Schon heute kann jeder DB-Cargo-Kunde seine Wagenladung digital verfolgen, denn alle Güterwagen von DB Cargo sind mit GPS ausgestattet. Mithilfe eines Telematikmoduls, GPS sowie RFID- und NFC-Tags wurden die analogen Güterwagen in die voll vernetzte digitale Welt überführt. Über Mobilfunk sendet der Wagen Signale während der Fahrt und bei Ereignissen wie Start, nicht geplanten Halten oder Stößen. Daraus können Informationen zum Beladungszustand, zur Temperatur, der Luftfeuchtigkeit oder der Bewegung sensibler Ladegüter ermittelt werden. Auch der Ankunfts- und Liefertermin ist exakt zu bestimmen.

Digitale Automatische Kupplung beschleunigt Rangieren

Die entscheidende Technologie für mehr Effizienz im Schienengüterverkehr heißt Digitale Automatische Kupplung (DAK). Bis 2030 sollen Güterwagen und Loks europaweit mit einheitlichem Standard automatisch kuppeln, 2023 soll der Roll-out dazu erfolgen. Die neue Technologie macht das Kuppeln deutlich effizienter. In den Rangierbahnhöfen werden heute täglich mehr als 2.200 Züge in Handarbeit zusammengestellt – ein Wagen nach dem anderen wird mit einem 20 kg schweren Kupplungshaken verbunden und verschraubt. Wie beim ersten deutschen Zug, dem Adler 1835. Das ist zeit- und kostenintensiv. Durch die Einführung der DAK ließe sich der Kupplungsvorgang erheblich beschleunigen. Die Kupplung der Güterwagen sowie der Strom- und Luftleitungen geschieht dann ohne Muskelkraft, sondern – vereinfacht gesagt – so, als würden sich zwei starke Magnete anziehen.

Mithilfe von Kameras an Kamerabrücken wiederum lassen sich die Güterzüge schneller und effizienter prüfen, als wenn ein Wagenmeister oder eine Wagenmeisterin den bis zu 740 m langen Zug abläuft und jeden einzelnen Wagen begutachtet. Die Kameras können auch von oben in die Wagen schauen und alle Informationen digital übermitteln. Beim Rangieren selbst gibt es ebenfalls noch viel Innovationspotenzial, beispielsweise durch den Einsatz autonomer Rangierloks.

Durch die Automatisierung und Digitalisierung des Zugbetriebs, des Kuppelns und Rangierens bringen wir mehr Tempo in die Abläufe und lasten das Netzwerk besser aus – und schaffen so auch eine höhere Wirtschaftlichkeit. Von der Einführung einer DAK profitieren alle Nutzer der Schiene, denn die DAK ermöglicht Güterzügen ein höheres Tempo, gewissermaßen ein harmonisches »Mitschwimmen« auf stark befahrenen Bahnstrecken. Außerdem bremsen Züge mit der digitalen Kupplung schneller, was die Sicherheit im Bahnverkehr weiter erhöht. Letztlich kann ein Güterzug durch eine Verdopplung der Zughakenlast mehr Fracht aufnehmen. Wo bislang zwei bis drei Züge ein Stahlwerk anfahren mussten, genügt künftig einer. Das spart Ressourcen im eng getakteten Schienennetz.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sieht die Digitalisierung des Kupplungsvorgangs bei den Güterzügen als zentrales Element, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs zu erhöhen. Wir brauchen nun eine Allianz aus Güterbahnen, Politik und Wirtschaft, um europaweit einheitlich die Einführung der DAK voranzutreiben. Für die Umrüstung der europaweit 500.000 Güterwagen rollen Kosten in Höhe von mehr als acht Milliarden Euro auf den Sektor zu – verteilt auf die siebenjährige Umrüstungsphase. Der Bund und die EU sind deshalb gefragt und sollten die Umrüstung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene umfangreich fördern. Der moderne Bahnverkehr braucht in allen Bereichen einen einheitlichen Standard, deshalb können viele Aufgaben bei der Harmonisierung der grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehre nur auf europäischer Ebene gelöst werden. Klimaschutz darf nicht an der nächsten Grenze aufhören.

Rahmenbedingungen für einen umweltfreundlichen Güterverkehr

  • Fast eine halbe Million Güterwagen und 17.000 Lokomotiven müssen europaweit mit der Digitalen Automatischen Kupplung ausgerüstet werden. Sie ermöglicht es dem Schienengüterverkehr, von einer digitalen Infrastruktur zu profitieren: transparente Informationen für Kunden, effizientere Organisation von Kapazitäten auf der Schiene und schnelle Abfertigung von Güterzügen. Für die DAK sind ein europäischer Roll-out-Plan sowie die Förderung der Ausrüstung (circa acht Milliarden Euro, darunter 2,5 Milliarden Euro für Deutschland) auf EU-Ebene in Form einer langfristigen Förderzusage zu verankern.
  • Der Einzelwagenverkehr ist ein gigantisches Umweltnetzwerk und ein wesentlicher Bestandteil der Logistikketten deutscher Schlüsselindustrien.
    Es braucht Förderinstrumente, die es erlauben, ihn kostendeckend zu betreiben. Die Anlagenpreisförderung soll daher fortgeführt und ausgebaut werden. 
  • Im Bundeshaushalt sind Vorkehrungen für eine Verlängerung der Trassenpreisförderung nach 2023 zu treffen. Sie stärkt die Investitionsfähigkeit und steigert damit die Attraktivität des Schienengüterverkehrs. 
  • Der Roll-out der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS sowie Digitaler Stellwerke (DSTW) ist die Basis für eine Digitalisierung des Bahnbetriebs. Dieser Technologiesprung wird die Kapazität, Produktivität und Interoperabilität der Schiene deutlich steigern. Der Finanzierungsbedarf für die Umstellung liegt bei vier Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. 
  • Um schnell Güter von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern, müssen Lkw-Sattelauflieger in der Lage sein, den Verkehrsträger zu wechseln und an sogenannten Umschlagspunkten auf die Schiene umgeladen werden. Etwa 70 Prozent des Lkw-Fernverkehrs in Europa werden heute mit Standard-Sattelaufliegern abgewickelt, von denen aber weniger als zehn Prozent kranbar sind. Eine ­entsprechende Eignung von Sattelaufliegern sollte bei der Neuzulassung daher europaweit gesetzlich vor­geschrieben werden.

Innovationen vorantreiben und unterstützen

Neben der Digitalisierung sind technische Innovationen die Grundlage eines nachhaltigen Güterverkehrs auf der Schiene. Deshalb treibt die DB Cargo den Einsatz alternativer Antriebe, klimafreundlicherer und synthetischer Kraftstoffe, den Bau neuer Infrastruktur für Akku-Züge sowie die Versorgung von Brennstoffzellen-Zügen mit Wasserstoff mit ganzer Kraft voran.

Die Bahnen sollten von der Stromsteuer befreit werden, und die EEG-Umlage sollte für elektrisch betriebene Züge gesenkt werden.

Darüber hinaus gibt es zukünftig multifunktionale und modulare Güterwagen. Dabei lassen sich auf einem variablen Untergestell nach dem Baukastenprinzip verschiedenste Behälter zum Transport unterschiedlicher Güter montieren. Diese neuartigen Tragwagen ermöglichen somit eine flexible Nutzung je nach dem individuellen Kundenbedürfnis. Dieses revolutionäre Konzept im Güterwagenbau und -einsatz wurde von DB Cargo entwickelt.

Die Güterverkehrsbranche fordert, dass der Bund diese Innovationen im Markt durch finanzielle Incentivierung unterstützt. Denn neue Lösungen wie automatisches Fahren (Automatic Train Operation, ATO), vorausschauende Wartung und alternative Antriebe sorgen für einen leistungsfähigeren, attraktiveren und über den Lebenszyklus optimierten Schienenverkehr bei null Emissionen.

Verkehrswende und klimafreundliche Logistik in den Fokus rücken

Für den umweltfreundlichen Schienengütertransport bedarf es einer Anpassung der Rahmenbedingungen mit einer Reihe von Einzelmaßnahmen. Beispielsweise sollten die Bahnen von der Stromsteuer befreit werden, und die EEG-Umlage sollte für elektrisch betriebene Züge gesenkt werden. Außerdem sollten Rahmenbedingungen für zukunftsfähige Einzelwagenverkehre geschaffen und die Infrastrukturnutzungsentgelte im Personen- und Güterverkehr dauerhaft reduziert werden. Zugleich gehören die Gebühren im Eisenbahnsektor, die keine Entsprechung bei anderen Verkehrsträgern haben, abgeschafft.

Wir holen schon jetzt europaweit pro Jahr mehr als 22 Millionen Lkw von der Straße und sparen dadurch ­jedes Jahr sieben Millionen Tonnen CO2 ein. Nun haben wir das historische Zeitfenster, um die Weichen für noch mehr klimafreundlichen Schienengütertransport zu stellen. Schienengüterverkehr ist umweltverträglich und systemrelevant. Die Erfahrung, vor leeren Regalen im Supermarkt zu stehen, hat viele Menschen am Anfang der Coronapandemie nachdenklich gemacht. Lkw standen an den Grenzen im Stau, während die Güterzüge ungehindert unterwegs waren. Und weil die DB-Cargo-Züge rollten und etwa Nudeln und Orangen transportierten – zusätzlich zu Stahl, Kohle und Autos –, war der Nachschub gesichert.

Die Wirtschaft sollte jetzt auf möglichst emissionsarme Lieferketten umstellen. Darum: Güter gehören auf die Schiene! Wir realisieren den »ICE für Güter« – ein Netz, das mehrmals täglich die wichtigsten Wirtschaftszentren Deutschlands miteinander verbindet.

Dr. Sigrid Nikutta, geb. 1969, ist seit Januar 2020 Vorstand Güterverkehr der Deutschen Bahn AG und Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG. Zuvor war sie als Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe tätig und führte das Unternehmen erstmals in die schwarzen Zahlen. Von 1996 bis 2010 war sie bei der DB AG in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig. Sigrid Nikutta studierte Psychologie und promovierte 2009 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Senats des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) sowie Vorsitzende des Kuratoriums des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).