Nachhaltigkeit als Transformationstreiber
Bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen (THG) spielt die Energiebranche eine entscheidende Rolle. Zwar konnte der deutsche Energiesektor mit einer THG-Reduktion von fast 53 Prozent im Vergleich zu 1990 schon erhebliche Fortschritte erzielen. Gleichwohl machen die Emissionen der Branche mit knapp 30 Prozent immer noch den größten Anteil an den Gesamtemissionen aus. Fragte man früher häufig: »Wie viel Nachhaltigkeit können wir uns leisten?«, lautet die Frage angesichts der drohenden Klimakrise heute: »Können wir es uns leisten, nicht nachhaltig zu wirtschaften?«
Über Jahrzehnte praktizierte die Energiebranche ein stabiles Geschäftsmodell: große, fossil befeuerte Kraftwerke, die Strom produzierten, den man verkaufte. Der Markt war geprägt von Kontinuität: wenige Technologiesprünge, bekannte Wettbewerber und eine sich kaum ändernde Regulierung. In den Nullerjahren und 2011 folgte die erste Phase der Transformation: Innerhalb weniger Jahre kam es zu einem massiven Ausbau der Erneuerbaren und durch Fukushima zum »Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg« aus der Kernenergie. Hohe Subventionen und die bevorzugte Behandlung der Erneuerbaren auf dem Markt machten klimafreundliche Investitionen attraktiv. Diese politisch-regulatorisch getriebene Phase war und ist stark vom Prozess einer technologischen Umstellung des Energieversorgungsystems geprägt: weg von einer zentralen konventionellen Erzeugung durch Großkraftwerke hin zu einer regenerativen und stärker dezentralen Erzeugung.
Nachhaltigkeit wird zum Geschäftsmodell
Vor allem aus zwei Beobachtungen lässt sich ableiten, dass wir mittlerweile ein neues Kapitel aufgeschlagen haben. Erstens lohnt sich Nachhaltigkeit aufgrund von technologischem Fortschritt, Skalenentwicklung und Know-how in der Projektentwicklung inzwischen auch wirtschaftlich. So ist es heute möglich, Erneuerbaren-Großprojekte subventionsfrei umzusetzen. Dafür sprechen die zahlreichen Nullgebote in vergangenen Offshore-Wind-Ausschreibungen sowie der erste förderfreie und zugleich größte Solarpark Deutschlands, der kürzlich durch Energie Baden-Württemberg (EnBW) eröffnet wurde.
Die Energiewende hat dazu geführt, dass Nachhaltigkeit in Deutschland ein wesentlicher Faktor für die Innovationsförderung geworden ist. So gehen die Anstrengungen der Unternehmen, dem Wettbewerb unter den Anforderungen hoher Nachhaltigkeitsstandards standzuhalten, mit effizienteren Produktionsprozessen, Emissionsreduktionen, Kostensenkungen und der Entwicklung neuer klimafreundlicher Technologien einher. Dabei konnte die Energieproduktivität in Deutschland (bezogen auf Endenergieverbrauch) zwischen 1990 und 2020 um 60 Prozent erhöht werden. Im internationalen Vergleich ist Deutschland somit für den weiteren Umbau nicht nur gut gerüstet. Angesichts der Tatsache, dass nachhaltige technologische Lösungen künftig global umgesetzt werden, können in Deutschland unter erhöhtem »Nachhaltigkeitsdruck« entwickelte Technologien zum Exportschlager werden.
Zweitens wird Nachhaltigkeit zunehmend eine notwendige license to operate: Zahlreiche deutsche Energieversorgungsunternehmen haben Nachhaltigkeitskonzepte definiert. Endkunden agieren nachhaltigkeitsorientierter als früher und fragen beispielsweise vermehrt Grünstromtarife nach. Und grüne Anleihen sind etwa bei EnBW in der Spitze zehnfach überzeichnet.
Das Zusammenspiel von Markt und Staat ändert sich
Nachhaltiges unternehmerisches Handeln ist als dauerhafter Trend in der Branche etabliert und nicht mehr nur von politischen Entscheidungen abhängig. Gleichwohl spielt der Staat weiterhin eine relevante, wenn auch sich wandelnde Rolle, indem er Märkte schafft. In der Vergangenheit hat die Politik mittels Subventionen, etwa für die Erneuerbaren, hauptsächlich die Angebotsseite gestärkt.
In den nächsten Jahren gilt es, mit politischen Maßnahmen die Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien zu stärken, um Investoren für eine gewisse Zeit einen Teil ihrer Zusatzkosten oder ihres Risikos abzunehmen; etwa durch Garantiepreise für eingesparte CO2-Mengen (Carbon Contracts for Difference, CCfD) für die Nutzung von Wasserstoff in der Stahlindustrie oder durch Kaufprämien für Elektrofahrzeuge. Der Staat muss zunehmend durch zielgerichtete Mechanismen und Regeln sowie Beseitigung staatlich induzierter Preisverzerrungen die effiziente Marktentstehung für neue Technologien flankieren, um die erforderlichen Kostensenkungen und Skalierungen zu erreichen.
Klimaorientierte Anpassungen des regulatorischen Umfelds
Parallel wird es auf einen politischen und regulatorischen Rahmen ankommen, der den schnellen und unbürokratischen Ausbau klimafreundlicher Energien absichert.
Mit erneuerbarem Strom liefert die Energiewirtschaft die Basis für die Dekarbonisierung der Gesamtwirtschaft. Die notwendigen Technologien für diese besondere Verantwortung sind vorhanden. Damit diese ihren Teil zur Erreichung der Klimaziele beitragen können, müssen schnellstmöglich zahlreiche Hindernisse bewältigt und klimaorientierte Marktregeln etabliert werden.
Verbesserter Klimaschutz durch Marktsignale
Eine wirksame CO2-Bepreisung als zentrales marktliches Steuerungselement ist in allen Sektoren anzustreben. Sie liefert richtige Anreize, um die Klimaziele effizient durchzusetzen, beispielsweise den Kohleausstieg über die Marktintegration der Erneuerbaren. Diesbezügliche Reformen sind auf europäischer und nationaler Ebene unumgänglich. Erste Maßnahmen müssen jetzt auf den Weg gebracht werden, um ab 2025 ihre volle Wirkung zu entfalten.
Im Rahmen einer möglichst ambitionierten Reform des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) muss dessen Mengengerüst den neuen EU-Klimaschutzzielen angepasst werden: Eine deutliche Verknappung der Zertifikate ist notwendig, etwa durch rebasing, einen steileren Minderungspfad und einen Mindestpreis. Diese Maßnahmen sollten kurzfristig auf den Weg gebracht werden, um das System robuster zu machen und Sektorkopplung anzureizen.
Auf deutscher Ebene hindert die hohe Abgabenlast auf dem Strom-Endkundenpreis die Nutzung der Elektrifizierung zur Erreichung der Klimaziele, etwa durch Sektorkopplung und klimafreundliche Investitionen: Eine Neuausrichtung des Steuer-, Abgaben- und Umlagensystems, orientiert an der CO2-Intensität von Energieträgern, ist dringend erforderlich. Konkrete Maßnahmen zur Strompreisentlastung umfassen:
- die Anhebung des Preispfades im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG),
- die ergänzende Einführung eines nationalen CO2-Mindestpreises im ETS,
- die schrittweise Abschaffung der EEG-Umlage bis 2025 sowie
- die Senkung der Stromsteuer auf das EU-rechtliche Minimum von 0,1 ct/ kWh.
Agenda für 2022
- Ambitionierte Reform des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS)
- Klimaorientierte Reform des Steuer-, Abgaben- und Umlagensystems in Deutschland, unter anderem durch Anhebung des BEHG-Preispfads, Reduktion der EEG-Umlage und Senkung der Stromsteuer
- Abbau von Planungs- und Genehmigungshemmnissen für beschleunigten, unbürokratischen Ausbau der Erneuerbaren
- Schaffen des Rahmens für eine Wasserstoffwirtschaft, vor allem durch Infrastrukturaufbau und Nachfrageförderung (etwa durch Carbon Contracts for Difference, CCfD, in der Industrie)
Erneuerbaren-Ausbau schnellstmöglich angehen
Der beschleunigte Erneuerbaren-Zubau ist die wichtigste Voraussetzung zur Erreichung der Klimaziele. EnBW geht von einem jährlichen Zubaubedarf bis 2030 von rund 9 GW Photovoltaik, 6 GW Wind an Land und 2 GW Wind auf See aus. Planungs- und genehmigungsrechtliche Hemmnisse führen allerdings dazu, dass diese Bedarfe derzeit bei Weitem verfehlt werden.
Der Hauptengpass bleibt der Zubau von Wind onshore, der aktuell etwa um den Faktor 4 zu gering ist. Die Gewährleistung der Flächenverfügbarkeit und die Verbesserung der Genehmigungssituation sind dabei Schlüssel zur Wiederbelebung. Es muss ehrlich festgehalten werden: Wenn wir diese Probleme nicht in den Griff bekommen, ist die Erreichung der 2030er-Ziele vollkommen unrealistisch. Es ist an der Zeit, die Verwaltungsprozesse grundlegend auf ihre Leistungsfähigkeit zu überprüfen und Reformen anzustoßen, die auf die Herausforderungen der gesellschaftlichen Großprojekte angepasst sind.
Schaffung einer Wasserstoffinfrastruktur
Eine dekarbonisierte Wirtschaft ist auf klimaneutralen Wasserstoff angewiesen. Nicht alle Anwendungen können technisch oder wirtschaftlich sinnvoll elektrifiziert werden. Zwar ist die Bereitstellung dieser Zukunftstechnologie noch nicht profitabel. Die Voraussetzungen für einen liquiden, nationalen und europäischen Wasserstoffmarkt müssen jedoch bereits heute geschaffen werden.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang der flächendeckende, zügige Aufbau einer durchgängigen Wasserstoffinfrastruktur, bestehend aus Backbone, Fernleitungs- und Verteilnetzen. Das bestehende Erdgasnetz kann auf allen Druckstufen umgewidmet werden – die Schaffung einer völlig neuen Infrastruktur ist nicht vonnöten. Darüber hinaus ist die Etablierung eines geeigneten Marktregulierungsrahmens von großer Bedeutung. Auch hier kann auf »Bestehendes« zurückgegriffen werden, etwa auf die Marktregeln aus dem Erdgasmarkt oder auf Herkunftsnachweise für grünen Wasserstoff.
Schließlich müssen Anreize für die Nachfrage von klimaneutralem Wasserstoff gesetzt werden. Punktuelle Förderungen, beispielsweise CCfD für große Industrieunternehmen, müssen durch weitere, breiter angelegte Förderinstrumente ergänzt werden.
Komplexität durch heterogenere Kundenwünsche und neue Wettbewerber
Neben dem Nachhaltigkeitstrend tragen weitere Faktoren dazu bei, dass das energiewirtschaftliche Umfeld vielschichtiger wird. Waren es früher zentrale Großkraftwerke, so ist die zukünftige Energieerzeugung durch ein hohes Maß an Dezentralität gekennzeichnet. So gibt es bereits heute deutschlandweit deutlich mehr als zwei Millionen dezentrale Erzeuger. Je nach Szenario wird es zudem bis 2030 bis zu 15 Millionen Elektrofahrzeuge geben, die durch bidirektionales Laden auch als flexible Energiespeicher fungieren werden. Gleichzeitig strömt eine Vielzahl von neuen Wettbewerbern auf den Markt.
Auch Kundenbedürfnisse werden immer heterogener. Kunden wollen nicht mehr nur einen simplen Strom- oder Gastarif, sondern erwarten gesamthafte, smarte und digitalisierte Energielösungen. Diese reichen von der privaten PV-Dachanlage über die Wallbox in der Garage bis hin zur digitalen Steuerung des Stromverbrauchs übers Smartphone. Aus Strom- und Gasverbrauchern werden selbstständige Energieproduzenten und -manager.
Infrastruktur und Digitalisierung erfordern neue Kompetenzen
Das Thema Infrastruktur wird für alle Akteure immer wichtiger. Unternehmen sehen sich bezüglich ihrer zukünftigen Aufstellung mit einer wegweisenden Entscheidung konfrontiert, weil es »die« klassische Energiewirtschaft so nicht mehr geben wird. Zwar werden einzelne Unternehmen weiterhin auf – dann CO2-neutrale – Energieerzeugung oder -verteilung setzen. Andererseits wird es Unternehmen wie EnBW geben, die sich auf die Bereitstellung von Infrastrukturen konzentrieren. So reicht unser Portfolio inzwischen von Erneuerbaren Energien über Netze bis hin zu neuen Themen wie Ladeinfrastruktur für E-Autos und Breitband.
Für Unternehmen, die sich für diesen »universellen Weg« entscheiden, werden erstklassige Kompetenzen in der Gesamtinfrastruktur (einschließlich der IT-Infrastruktur) zunehmend zum kritischen Erfolgsfaktor. Diese Infrastruktur muss ohne Einschränkungen zuverlässig sowie aus Kunden- und Anwendersicht nachhaltig, einfach und sicher zu bedienen sein.
Erfahrungen der Energiewende nutzen
In diesem disruptiven Umfeld können deutsche Unternehmen auf eine umfassende Lernhistorie zurückblicken. Wenn die nötigen politischen und regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, können wir uns darauf verlassen, dass die Energiewirtschaft weiterhin in der Lage sein wird, die für Klimaneutralität und Nachhaltigkeit erforderlichen Zukunftstechnologien effizient einzuführen. Im Bereich Wasserstoff werden so möglicherweise Kostensenkungen erreicht, die dazu führen, dass Deutschland im globalen Vergleich einen Wettbewerbsvorteil erlangt. So könnte Deutschland zum Beispiel eines der ersten Länder der Welt werden, die Stahl mit klimaneutralem Wasserstoff herstellen und die entsprechenden Technologien und Produkte exportfähig machen.
Die Grundlagen der Infrastruktur für eine klimafreundliche Energieversorgung wie integrierte Netzausbauplanung und Marktregeln für Wasserstoff müssen bis 2025 geschaffen und entsprechend staatlich flankiert werden. Zudem sollten in diesem Zeitraum wichtige Regelungen in Bezug auf CO2-Bepreisungsmechanismen auf europäischer (EU-ETS) und nationaler Ebene (BEHG) sowie im Steuer-, Abgaben- und Umlagensystem (Abschaffung der EEG-Umlage) in Kraft treten.
Integrierte Planung der Strom- und Gasnetze bis 2025
Auch die Strom- und Gasnetzinfrastruktur muss in den kommenden Jahren noch zügiger um- und ausgebaut werden. Dabei handelt es sich um sehr komplexe Unterfangen. Gleichwohl ist eine möglichst enge Verzahnung des Netzentwicklungsplans Strom mit der Netzausbauplanung Gas und der Wasserstoffstrategie erstrebenswert. Primäres Ziel sollte sein, die Rahmenbedingungen für den Strom- und Gasnetzausbau zu harmonisieren und eine Planung auf Basis gemeinsam entwickelter integrierter Szenarien zu ermöglichen.
Auch in diesem Bereich sollten Prozesse vom Ende her gedacht und entbürokratisiert werden. Eine bundesweite Vereinheitlichung und Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsprozesse für Netze ist eine wichtige Voraussetzung, um die Infrastruktur für die Anforderungen der steigenden Dezentralität und der Sektorkopplung fit zu machen.
Agenda für 2025
- Schaffung einer integrierten Netzplanung Strom-Gas-Wasserstoff
- Kraftwerksseitige Voraussetzungen für doppelten Fuel-Switch müssen geschaffen werden (Problem EU-Taxonomie)
- Wasserstoff: Beginn des Infrastrukturaufbaus, Klärung der prognostizierten Nachfragemenge und Anwendung im Wärmemarkt
- CO₂-Bepreisungsregelungen sollten in Kraft treten: Einführung Mindestpreis in Höhe von 35 €/ t im EU-ETS; ab 2026: nationaler Mindestpreis in Höhe von 80 € im BEHG (zuzüglich Abschaffung der EEG-Umlage 2025)
EU-Taxonomie darf doppeltem Fuel-Switch nicht im Wege stehen
Für die Versorgungssicherheit werden auf Sicht disponible Kraftwerke weiterhin benötigt. Daher braucht es einen hinreichenden Ausbau von gasbetriebenen thermischen Kraftwerken für einen doppelten Fuel-Switch. Das bedeutet: Die mittelfristige Umstellung von kohlebefeuerten Kraftwerken auf Gas ist die Voraussetzung für die Umstellung auf Wasserstoff ab 2035.
Vor diesem Hintergrund muss Gas für die Strom- und Wärmeerzeugung als Brückentechnologie beim Übergang in eine Wasserstoffwelt finanzierbar bleiben. Solche Übergangsaktivitäten mit klarer Perspektive zur schnellstmöglichen Dekarbonisierung sind daher in der EU-Taxonomie als Transitionsaktivität zu berücksichtigen. Die Beibehaltung des aktuellen Grenzwertes für CO2-Emissionen verteuert und erschwert den Fuel-Switch und die Dekarbonisierung des Gassektors in den kommenden Jahren. Es bedarf ambitionierter, aber realistischer Grenzwerte, die die mittelfristige Weiterverwendung von Erdgas ermöglichen. Zumindest in den nächsten Jahren haben wir keine Alternativen zur Verfügung, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, und Investitionen in eine künftige Wasserstoff-Kraftwerksflotte, auf die wir nach dem Kohleausstieg 2030 angewiesen sind, werden verteuert.
Für den Fuel-Switch auf Wasserstoff muss ab 2025 mit dem Aufbau der relevanten Transportinfrastruktur begonnen werden. Auch sollte der Staat bis dahin prognostizierbare Mengen der Wasserstoffnachfrage für die Zeit nach 2030 festlegen, sodass Investoren in den europäischen Nachbarländern (vor allem in Nordafrika) die Voraussetzungen für ein ausreichendes Importangebot schaffen können. Schließlich gilt es zu klären, ob und inwiefern Wasserstoff im Wärmemarkt eine Option sein wird, damit Unternehmen Investitionssicherheit haben.
Zwischenziele und Meilensteine ebnen Weg zur Klimaneutralität 2040
Bis 2030 muss die Energiewirtschaft ihre Emissionen im Vergleich zum Basisjahr 1990 um 77 Prozent mindern. Bis dahin muss der dafür erforderliche Bestand an Wind onshore (mindestens 95 bis 100 GW), Wind offshore (über 30 GW bis 2035; 50 bis 70 GW bis 2050) und Photovoltaik (mindestens 140 GW) geschaffen sein. Durch die Zielverschärfung in den Sektoren Verkehr und Gebäude werden mehr Elektromobilität und Elektrifizierung von Wärmeanwendungen notwendig werden, was zukünftig zu einem höheren Stromverbrauch führen wird und den Ausbaudruck erhöht.
Ab 2030 müssen die letzten Voraussetzungen für eine Wasserstoffwirtschaft erfüllt werden. So sollte die H2-Infrastruktur in Norddeutschland 2030 vollendet sein. Spätestens 2035 muss Süddeutschland an die nationale Transportinfrastruktur angeschlossen sein, um Kraftwerke und Industrie beliefern zu können. Parallel ist der zweite Schritt des Fuel-Switchs zu vollziehen. Der gesamte thermische und fossile Kraftwerkspark in Deutschland muss dann auf Wasserstoff umgestellt sein. Dies gilt auch für den Wärmebereich – dort, wo keine Nutzung von elektrischen Wärmepumpen realisierbar ist, bedarf es einer Fernwärmeversorgung durch klimaneutralen Wasserstoff.
Das Erreichen von »Netto-Null« in der Energiebranche bis 2040 heißt auch, dass natürliche und technische Senken an Bedeutung gewinnen werden. In einigen Sektoren wird es unvermeidliche Restemissionen geben, etwa im Verkehrssektor durch Verbrennungsmotoren oder in der Landwirtschaft durch Methanemissionen aus der Tierhaltung. Diese müssen entweder durch Negativemissionen aus natürlichen Ökosystemen (etwa CO2-Bindung in Wäldern) oder durch technische Abscheidung von CO2 (beispielsweise durch CO2-Filterung) kompensiert werden.
Die Agenda für die künftigen Jahre zeigt, dass für alle Akteure dicke Bretter zu bohren sind. Gleichwohl bin ich mir sicher: In diesem klaren Handlungsrahmen mit einem deutlichen Fahrplan »von oben« kann die Industrie im globalen Vergleich weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen und die erforderlichen (Veränderungs-) Schritte umsetzen – getreu dem Motto: »Nachhaltig zu wirtschaften lohnt sich.«
Agenda für 2030 bis 2040
- Erneuerbaren-Mengen, die eine Erreichung der Klimaziele garantieren, sollten im Jahr 2030 geschaffen sein
- Errichtung der Wasserstoffinfrastruktur muss zwischen 2030 und 2035 in allen Teilen Deutschlands vollendet sein (inklusive H₂-Backbone-Netze); alle thermischen / fossilen Kraftwerke (inklusive Wärmeerzeugung) müssen dann auf Wasserstoff oder Erneuerbare umgestellt sein
- Klimaneutralität der Branche spätestens im Jahr 2040
- Klärung des Umgangs mit unvermeidlichen Rest- und Negativemissionen