Transformation des Wirtschaftsstandortes: Was die Parteien planen

Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Das Ziel steht fest, aber über den Weg besteht Uneinigkeit. Als Hauptverursacher von CO₂-Emissionen stehen insbesondere Industrie und Energieversorgung vor einem umfassenden Strukturwandel. In ihren Wahlprogrammen skizzieren die Parteien, wie sie Deutschland zum fortschrittlichsten Industriestandort der Welt machen wollen. Der folgende Beitrag erläutert die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Transformationskonzepte von Union, SPD, Grünen und FDP, um eine Orientierungsbasis für die weitere Debatte in diesem Buch zu bieten.

Bis kurz vor der Bundestagswahl haben sich die Parteien noch darin geübt, einander mit weiteren Zielverschärfungen zu überbieten, ohne aber durch zu konkrete Maßnahmenvorschläge ihre jeweilige Wählerklientel zu verschrecken. Die Transformationskosten sozial gerecht zu finanzieren ist das Megaprojekt der nächsten Jahre. Die Parteien haben unterschiedliche Vorstellungen, wie groß das Gewicht des Staates gegenüber dem Markt sein soll. Die folgenden Koalitionsverhandlungen und der neue Koalitionsvertrag müssen Entscheidungen treffen, anstatt diese weiter in die Zukunft zu verlagern.

Die Transformationskosten sozial gerecht zu finanzieren ist das ­Megaprojekt der nächsten Jahre.

Technologische Sprünge können nur vollzogen werden, wenn sich am Ende das Ergebnis auch betriebswirtschaftlich rechnet, indem neue, klimafreundliche Produkte weltweit nachgefragt werden. Hierfür braucht es exzellente Standortfaktoren – von einer technologieoffenen Regulierung über eine effiziente digitale Verwaltung und strategische Förderung bis hin zu steuerpolitischen Rahmenbedingungen –, damit Investitionen angeschoben werden und Freiraum entsteht, kostenintensive Innovationen marktfähig zu machen. Die digitale Transformation hängt damit unmittelbar zusammen, denn sie schafft die Voraussetzungen, um nachhaltiger, aber auch wettbewerbsfähiger zu werden. Auch die Außenwirtschaftspolitik muss in einen kohärenten Ansatz einfließen, denn es sind am Ende Verbraucherinnen und Verbraucher auf Märkten außerhalb unseres Kontinents, die europäische Produkte kaufen und Standards übernehmen sollen.

Alle Parteien bekunden, Arbeitsplätze und industrielle Wertschöpfung in Deutschland halten zu wollen. Der klimaneutrale Industriestandort als Vision der Zukunft muss Geschäftsmodelle und ganze Branchen transformieren und Arbeitsplätze sichern. Innovationsleistung entsteht durch Forschung und Entwicklung in Teamleistung von Politik und Wirtschaft, indem Grundlagenforschung bis zur Anwendung begleitet wird – nicht nach dem Prinzip, welche Technologie heute wünschenswert wäre, sondern danach, welche am effizientesten ist. Darüber, wie weit der Staat Wirtschaftsprozesse beeinflussen kann und soll, besteht weiterhin Dissens. Die Wahlprogramme sind ein erster Versuch der Parteien, tragfähige industriepolitische Ansätze zu entwickeln. Wenn der Weg erfolgreich beschritten werden soll, muss ein Gleichgewicht zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem hergestellt werden.

Transformation braucht Investition

Alle Parteien betonen die gigantische Herausforderung der Transformation. Die Messlatte liegt hoch, denn Deutschland und Europa sollen an der Spitze des technologischen Fortschritts stehen, die digitale Transformation meistern und auch energieintensive Industrien so rasch wie möglich klimaneutral gestalten. Zur Frage, wie das gelingen soll, haben die Parteien in ihren Wahlprogrammen nicht immer klar definierte Ansätze, jedoch unterschiedliche Pfade entworfen.

So sehen alle Parteien einen großen Mehrbedarf an Investitionen zur Schaffung eines wettbewerbsfähigeren Industriestandorts, die Lösungswege sind jedoch unterschiedlich. Die Union bekräftigt den Industriestandort als Grundlage für Wohlstand, setzt dabei auf Anreizsysteme und Investitionen, bleibt aber ohne konkrete Vorschläge, wie die Transformation umzusetzen ist, und scheut sich, mit Blick auf öffentliche Investitionen für Infrastruktur und Klimaschutz konkrete Summen zu benennen.

Die SPD setzt auf Wachstum und Innovation, hüllt sich aber in Schweigen, wie Unternehmen die massiven notwendigen Investitionen anschieben sollen, damit die »Wirtschafts- und Innovationskraft« Europas gestärkt wird. Dies ist umso verwunderlicher, als die Partei das Thema Steuern angesichts des konstatierten Investitionsbedarfs ganz oben auf die Agenda setzt. Vermögen- und Erbschaftsteuer sollen soziale Gerechtigkeit schaffen. Dabei sind die im OECD-Durchschnitt bereits sehr hohen Unternehmenssteuern in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil – und weder SPD noch Union legen sich fest, wann infolge des Rahmenwerks für eine internationale Steuerreform eine Absenkung erfolgen soll.

Die Grünen fordern ähnlich wie die SPD eine Erbschaft- oder Vermögensteuer und werden bei der Unternehmensbesteuerung mit der Forderung nach einem europäisch einheitlichen Ansatz von 25 Prozent Mindestbesteuerung konkreter. Jedoch konkurriert auch hier das Ziel, neue Investitionen für die Transformation bereitzustellen, mit dem Ziel der sozialen Umverteilung.

Sämtlichen Parteien fehlt es an Ideen und Ansätzen, auf Grundlage marktbasierter Prozesse Technologiehochläufe zu erreichen und Fördermaßnahmen auszugestalten.

Die FDP fordert einen Investitionsschub über zehn Jahre, und zwar von 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) pro Jahr ab 2025, bleibt eine Differenzierung zwischen staatlichen und privaten Investitionen aber ebenso schuldig wie eine Antwort auf die Frage, welches Volumen damit generiert werden kann. Die Liberalen konzentrieren sich vor allem auf ein innovationsfreundliches Umfeld, schlankere Bürokratie und Planungsbeschleunigungen sowie Infrastrukturausbau. Neue Ideen, durch welche Maßnahmen über die bestehenden hinaus die Finanzierung gestaltet werden kann, werden nicht präsentiert.

Die Grünen setzen auf eine strategische Verbindung der Forschungs- und Innovationspolitik mit der Industriepolitik, wenngleich konkrete wirtschaftspolitische Vorschläge fehlen. Das Ziel, in diesem Jahrzehnt 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren zu wollen, entspricht etwa dem notwendigen Investitionsbedarf nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Zugleich wollen die Grünen den klimaneutralen Industriestandort durch Quoten, Verbote und Vorgaben realisieren. Preissetzung und Ordnungsrecht sind die maßgeblichen Ansätze. Die Grünen setzen aber auch stark auf die Preissignale des Emissionshandels und wollen insbesondere im nationalen System rasch die CO₂-Preise erhöhen. Zudem möchten sie mit Carbon Contracts for Difference längerfristige Investitionsrisiken für Unternehmen reduzieren. Dieses Instrument findet auch in der Union Zustimmung.

Die FDP bekennt sich ausdrücklich zur Technologieoffenheit und zieht damit eine Grenze zwischen staatlichen Anreizen und betriebswirtschaftlich orientierter Innovationsleistung. Gemeinsam mit der Union rückt die FDP eher den betriebswirtschaftlichen Nutzen in den Vordergrund, weil Kundinnen und Kunden bereit sein müssen, für ein neues Produkt zu zahlen. Der Staat sollte nicht bestimmen, welche Technologie in zehn oder 20 Jahren konkurrenzfähig ist. Die SPD setzt ebenfalls auf Technologieoffenheit, ist aber vage, inwieweit staatliche Regulierung in die Wirtschaftsprozesse eingreifen soll.

Sämtlichen Parteien fehlt es an Ideen und Ansätzen, auf Grundlage marktbasierter Prozesse Technologiehochläufe zu erreichen und Fördermaßnahmen auszugestalten. Innovationsoffenheit ist nicht Parteienkonsens. Die Beantwortung der Frage, wie ein geeigneter Marktrahmen zur Skalierung von Technologien aussehen kann, ist auf die Zeit nach den Wahlen verschoben. Damit steigt der Druck auf alle Parteien, bei der Finanzierung Farbe zu bekennen und staatliche Steuerungsinstrumente in Einklang zu bringen mit den Prinzipien des globalen Wettbewerbs und der sozialen Marktwirtschaft.

Deutschland im internationalen Wettbewerb

Während sich Europa erst langsam von den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie erholt, wachsen die Volkswirtschaften in Asien und den USA wieder rasant. In den Wahlprogrammen besteht Konsens, dass die Industrie in die Lage versetzt werden muss, mit dem großen Systemwettbewerber China mitzuhalten. Der Anspruch, auf die veränderte Weltordnung zu reagieren und Europa als souveränen, eigenständigen Akteur zu etablieren, ist in allen Wahlprogrammen verankert.

Der Anspruch, auf die veränderte Weltordnung zu reagieren und Europa als souveränen, eigenständigen Akteur zu etablieren, ist in allen Wahlprogrammen verankert.

Als exportorientierter Wirtschaftsstandort ist Europa gefordert, durch Innovationskraft konkurrenzfähige Technologien auf den Weltmärkten anzubieten und dadurch Standards zu setzen. Europa braucht Nachahmer, damit sich nachhaltiges Wirtschaften durchsetzt, Technologien global zum Einsatz kommen und so ein global wirksamer Beitrag zum Klimaschutz gelingt. Ausweich- und Abwanderungsbewegungen der Industrie schützen weder das Klima noch erhalten sie Arbeitsplätze. Der Spagat besteht also darin, als Industriestandort wettbewerbsfähiger zu werden, aber gleichzeitig die kostspieligen Transformationsprozesse zu finanzieren.

Nur durch funktionierende Lieferketten und Abkommen mit anderen Wirtschaftsräumen kann Nachhaltigkeit zum Leitmotiv der internationalen Handelsordnung werden. Union, SPD, Grüne und FDP liegen in zentralen Fragen der Außenwirtschaftspolitik eng beieinander. Hierzu gehört, dass die EU ein geschlossenes Auftreten in der Außen- und Handelspolitik braucht und überdies einheitlich gegenüber China als Systemwettbewerber positioniert sein muss. Gleiches gilt für eine vertiefte transatlantische Wirtschaftspartnerschaft. Die Grünen lehnen hingegen den modernen Investor-Staat-Streitschlichtungsmechanismus als Teil des europäischen Wirtschaftsabkommens mit Kanada (CETA) ab und sind gegen eine vollständige Ratifizierung des Abkommens. Grundsätzlich stehen SPD und Grüne Freihandelsabkommen offen gegenüber. Wesentlich freihandelsfreundlicher sind die Union und FDP.

Union, SPD, Grüne und FDP liegen in zentralen Fragen der Außenwirtschaftspolitik eng beieinander.

Insgesamt werden sozial-ökologische Interessen priorisiert, sodass die Übertragung von hohen Standards auf die Partnerländer der Marktöffnung übergeordnet wird. Es wird damit die Gefahr übersehen, dass andere Wettbewerber die fehlende Marktöffnung als Chance nutzen, um ihren Einfluss auszudehnen. Zudem scheint nicht immer klar zu sein, dass internationale Wertschöpfung und Export von Spitzenprodukten den Wohlstand hierzulande überhaupt erst möglich machen.

Die Union sticht mit dem Vorschlag von Sanktionsautomatismen in Handelsabkommen hervor, die dann greifen, wenn Standards unterlaufen werden, erklärt aber nicht, wie andere Märkte zunächst einmal geöffnet werden sollen. Die FDP bekennt sich uneingeschränkt zum Freihandel, versäumt jedoch, die Außenwirtschaftsförderung zu erwähnen oder sich für konkrete Abkommen wie Mercosur einzusetzen. Bis auf die FDP bringen die übrigen Parteien einen CO₂-Grenzausgleich ins Spiel, um die Industrie wettbewerbsfähig zu halten, verkennen allerdings das Risiko des Protektionismus, sollte dieses Instrument unerprobt und einseitig pauschal angewendet werden.

Energie, Klima, Umwelt und Mobilität als Kern der Transformation

Die Parteien wollen eine verlässliche Energieversorgung und die erneuerbaren Energien ausbauen. Als Nettoenergieimportland muss Deutschland Partnerschaften eingehen und darf die energieintensive Industrie nicht überfordern. Die EEG-Umlage vollständig aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren beziehungsweise abzuschaffen ist zwischen Union, SPD und FDP Konsens – die Grünen plädieren für eine Senkung und ein »Energiegeld«. Einig scheinen sich die Parteien darüber zu sein, dass Technologien, Innovationen und Digitalisierung maßgeblich sind, um das Ziel der Klimaerwärmung um maximal 1,5 Grad zu erreichen. Die SPD hat zwar folgerichtig erkannt, dass wettbewerbsfähige Strompreise den Standort stärken würden. Offen bleibt aber, wie das System aus Steuern, Abgaben und Umlagen am Ende aussehen soll.

Gemeinsam ist allen Parteien, dass Zukunftsinnovationen ein zentraler Stellenwert zukommt: So sollen Forschungs- und Entwicklungsausgaben bis 2025 in Höhe von 3,5 Prozent des BIP finanziert werden. Die Union setzt etwas konkreter auf eine nochmalige Verdoppelung der Forschungszulage. Eine Verzahnung der deutschen und europäischen Innovationsprogramme mit dem Ziel, die sich aus der EU ergebenden Chancen stärker zu nutzen, findet sich nur bei Union und FDP. Bei allen Parteien fehlen konkrete Vorstellungen, wie der Technologiestandort Deutschland und die technologische Souveränität Europas ganzheitlich gestärkt werden können.

Einig scheinen sich die Parteien darüber zu sein, dass Technologien, Innovationen und Digitalisierung maßgeblich sind, um das Ziel der Klimaerwärmung um maximal 1,5 Grad zu erreichen.

Keine der Parteien macht einen kohärenten Ansatz erkennbar, welche Maßnahmen der Technologie-, Wettbewerbs- oder internationalen Klimadiplomatie dazu beitragen sollen, die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Die Grünen sind bislang am konkretesten geworden und wollen mit einem »Industriepakt« den Weg klimaneutralen Wirtschaftens in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft durch Klimaschutzverträge festschreiben. Der Anspruch ist als Wettbewerbsfähigkeit durch Klimaneutralität definiert und soll marktbasiert hergestellt werden. Die Grünen rücken die Kosten der verursachten Umweltschäden in den Mittelpunkt, weil die CO₂-Preise ihrer Ansicht nach nicht den wahren Preis abbilden. Wie die daraus resultierenden Preissteigerungen in ein Mehr an »Wohlstand und Stabilität« zu übersetzen sind, bleibt offen. Ebenso unklar ist, wie ein internationaler oder zumindest im Kreis der G20 konvergenter Politikansatz erreicht werden soll. Die Grünen haben außerdem kein Konzept für wettbewerbsfähige Strompreise und ein sicheres Stromsystem, außer dass sie den Anteil erneuerbarer Energien ausbauen wollen.

Der Spagat besteht darin, als Industriestandort wettbewerbsfähiger zu werden, aber gleichzeitig die kostspieligen Transformationsprozesse zu finanzieren.

Die SPD bietet keine Antworten, durch welchen Rahmen der Staat Technologieoffenheit wahren und einen Ausbau der Ladeinfrastruktur voranbringen kann. Die Union öffnet sich zwar für carbon capture, utilization and storage technologies (CCUS), um Prozessemissionen abzuführen, für die bislang noch keine Alternative zur Verfügung steht, ohne die aber auch die Klimaziele nicht erreichbar sein werden. Die Union setzt im Wesentlichen auf eine Ausweitung des Emissionshandels auf die Sektoren Wärme und Verkehr. Dass dies aber zu stärkeren Preisanstiegen führen dürfte, wird so wenig thematisiert wie die Tatsache, dass eine Preisbildung am Markt nur erfolgen wird, wenn insbesondere für Unternehmen, die nicht im Emissionshandel der EU sind, ein angemessener Carbon-Leakage-Schutz besteht.

Die Mobilitätswende als elementare Stellschraube für einen effektiven Klimaschutz wird je nach Couleur der künftigen Bundesregierung zu einem schwierigen Streitthema werden. Die Vorschläge reichen von Beschränkungen der individuellen Mobilität über günstigeres Bahnfahren und ein Verbot von Inlandsflügen bis hin zu Technologiefestlegungen. Die E-Mobilität soll massiv vorangetrieben werden, dabei gerät allerdings vor allem bei den Grünen aus dem Blick, dass auch synthetische Kraftstoffe notwendig sein werden, weil nicht alle Fahrzeuge mit Strom aus nachhaltigen Quellen versorgt werden können, schon gar nicht die 1,5 Milliarden Fahrzeuge, die es aktuell auf der ganzen Welt gibt. Gerade beim Thema E-Fuels fehlt eine globale Perspektive.

In Wasserstoff als Kraftstoff der Zukunft setzen alle Parteien große Hoffnungen, jedoch unterscheiden sich auch hier klar marktbasierte Ansätze von einer staatlichen Steuerung. Während die SPD das Ziel eines raschen Hochlaufs benennt, aber konkrete Schritte außen vor lässt, wollen die Grünen Wasserstoffkontingente staatlich zuteilen. Union und FDP wollen Technologieoffenheit wahren. Aus Sicht der Industrie ist es zentral, eine globale Skalierung zu schaffen, damit Wasserstoff auch international wettbewerbsfähig ist. Die Parteien müssen hierfür eng mit der Wirtschaft zusammenarbeiten.

Digitale Transformation als zentraler Standortfaktor

Große Einigkeit unter den Parteien besteht darin, dass es in den vergangenen Jahren versäumt wurde, Deutschland erfolgreich ins digitale Zeitalter zu führen und darin nicht nur Risiken, sondern auch Chancen zu sehen. Insgesamt wollen alle Parteien die Digitalisierungsbestrebungen von Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern nutzen, auch wenn sich Ausgestaltung und Wege zur Erreichung des Ziels unterscheiden. Union, Grüne und FDP liegen beim Thema Digitalisierung eng beieinander, wohingegen bei der SPD wichtige Impulse beispielsweise für die Etablierung eines wettbewerbsfähigen Ökosystems für künstliche Intelligenz (KI) oder vereinfachte, digitalisierte Genehmigungsverfahren fehlen.

Die Union wagt sich mit einer Forderung nach einer 15 Milliarden Euro umfassenden Initiative für den Ausbau der digitalen Infrastruktur für ein flächendeckendes Giga­bitnetz bis 2025 nach vorne. Ein weiteres Augenmerk der Union liegt auf der Verwaltung. Sie soll effizienter und digitaler werden, Genehmigungsverfahren sollen vereinfacht und beschleunigt werden. Konkrete Ideen, wie dies umzusetzen ist, fehlen jedoch.

Die EEG-Umlage vollständig aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren beziehungsweise abzuschaffen ist zwischen Union, SPD und FDP Konsens – die Grünen plädieren für eine Senkung und ein »Energiegeld«.

Auch die Grünen sehen großen Bedarf für Investitionen in die digitale Infrastruktur. Sie wollen die Innovationskraft vor allem in den Bereichen KI, Quantencomputing, IT-Sicherheit, Kommunikations- und Biotechnologie sowie bei ökologischen Batteriezellen vorantreiben, damit Deutschland seine technologische Souveränität im internationalen Wettbewerb sichern kann. Die SPD kündigt eine »digitale Infrastruktur auf Weltniveau« für Deutschland bis 2030 an sowie »eine vollständig und durchgängig digitalisierte Verwaltung«, ohne Umsetzungsschritte zu benennen. Auch die FDP fordert, ähnlich wie die Union, ein Digitalministerium für die digitale Transformation sowie den flächendeckenden Ausbau hochleistungsfähiger Mobilfunknetze. Die Digitalisierungsforderungen der FDP zeigen sich auch in ihren Bestrebungen, Deutschland vom Nachzügler zum Vorreiter im Bereich E-Government und digitaler Verwaltungen machen zu wollen. Auf einen näher definierten Zeitrahmen verzichtet sie dabei.

Wünsche müssen Wirklichkeit werden

Die Parteiprogramme wecken allesamt große Erwartungen, wie der Industriestandort Deutschland in eine neue Zukunft geführt werden kann und folgenden Generationen vergleichbarer Wohlstand und lebensfreundliche Bedingungen geboten werden können. Das Konzept für die Umsetzung dieses Versprechens wird vor der Wahl nicht präsentiert. Das ist ein Fehler, denn die nächste Regierungskoalition wird eine industriepolitische Neuaufstellung des Standortes Deutschland vornehmen müssen. Die Transformation ist eine Jahrhundertaufgabe, die kenntnisreich und über alle Sektoren hinweg vernetzt geplant werden muss.

Die Wirtschaft ist hier weiter als die Politik: Unternehmen und Verbände wissen, was sie brauchen, um die Grundlagen für soziale Sicherheit, Wohlstand und die Freiheit unserer Gesellschaft klimaneutral und digital zu liefern. Dieser Band präsentiert die wichtigsten Konzepte und Handlungsschritte für die nächsten deutschen Regierungen.

Dr. Joachim Lang, geb. 1967, übernahm 2017 die Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. (BDI). Zuvor leitete der promovierte Volljurist neun Jahre lang die Berliner Repräsentanz des DAX-Konzerns E.ON. Zu Langs beruflichen Stationen zählen außerdem das Bundeskanzleramt, in dem er 2007 während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Europapolitik der Bundesregierung koordinierte, die CDU / CSU-Bundestagsfraktion, der Bundesrat und das Bundesministerium der Verteidigung.

Dr. Lutz Meyer, geb. 1968, ist Kommunikationschef des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und einer der erfahrensten Experten für politische Kommunikation. Er hat zahlreiche bekannte Kampagnen für Branchen, Unternehmen und Institutionen in Deutschland und Europa entwickelt, dazu viele erfolgreiche Wahlkämpfe für Parteien. Meyer ist Dozent sowie Autor und Herausgeber unter anderem der Bände »Deutschlands Neue Verantwortung« und »Deutschland und die Welt 2030«.