Veränderungen ohne Angst begegnen

Nicht nur für die Politik, auch für die politische Bildung wird Transformation immer stärker zu einem wichtigen Handlungsfeld. Auch weil durch Gesellschaftstransformationen Sicherheiten ins Wanken geraten, will sie Akteurinnen und Akteure dazu ermutigen, den Prozess aktiv mitzugestalten und als gewinnbringend zu erleben. Die Erfahrungen mit der deutschen Wiedervereinigung können dabei als Blaupause dienen, gilt die Entwicklung nach 1989 / 90 doch als idealtypisch für einen tiefgreifenden Veränderungsprozess – auch wenn dieser bis heute nicht abgeschlossen ist.

In Umfragen zu den drängendsten politischen Themen landen der Klimawandel und die damit verbundene Energiewende seit vielen Jahren stets auf den vorderen Plätzen. So wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger nach einer Erhebung des Umweltbundesamtes vor allem in den Bereichen Energie, Landwirtschaft und Verkehr Veränderungen, die die Emissionen von Treibhausgasen reduzieren. Nahezu übereinstimmend befürworten die Befragten einen Umbau in Richtung einer »nachhaltigen Wirtschaft«. Nicht nur die Fridays-for-Future-Bewegung, sondern auch viele andere regionale und lokale Initiativen für mehr Klimaschutz fordern Reformprozesse aktiv ein und verdeutlichen, dass eine starke Bereitschaft vorhanden ist, diese auch mitzugestalten.

Für die politische Bildung ist das ein guter Ausgangspunkt, trotzdem bleibt die Aufgabe höchst komplex. Denn es geht nicht nur darum, die Klimafrage und andere prägende Transformationsphänomene zu beschreiben (Informationsvermittlung ist und bleibt ein wichtiges Anliegen der politischen Bildung). Gerade im Umgang mit Transformationen aller Art sollte das Ziel politischer Bildung darin bestehen, auch die Breite der Gesellschaft dazu zu motivieren, über die Veränderungen ihrer Lebenswelten sowie staatlicher und ökonomischer Strukturen mitzubestimmen. Gleichzeitig sollen ihnen die dafür notwendigen Kompetenzen vermittelt werden.

Transformation als eigener Typus sozialen Wandels

In »modernen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften des Westens« wurde der Begriff Transformation im Zusammenhang mit gesellschaftlichem Wandel lange Zeit ausgeblendet, häufig wurde lediglich von »Entwicklung« oder »sozialem Wandel« gesprochen. Erst mit der postsowjetischen Umbruchzeit und den Erfahrungen der letzten drei Jahrzehnte erfuhr der Transformationsbegriff eine größere Konjunktur. Transformationsprozesse werden dabei durch »endogene Ursachen, Quellen, Ereignisse« hervorgerufen, wozu »wirtschaftliche, soziale Konflikte, Krisen und Spannungslinien« gezählt werden. Konfliktstrukturen, weltweite soziale, ökonomische und ökologische Brüche sowie längerfristige Trends sind dabei nicht als Zusammenbruchszenario zu verstehen. Vielmehr sollen die Epochen als Phasen des Übergangs gesehen werden, die einen längeren Zeitraum umfassen und Gefährdungen wie Chancen einschließen.

Gerade im Umgang mit Transformationen aller Art sollte das Ziel politischer Bildung darin bestehen, auch die Breite der Gesellschaft dazu zu motivieren, über die Veränderungen ihrer Lebenswelten sowie staatlicher und ökonomischer Strukturen mitzubestimmen.

Der Transformationsforscher Raj Kollmorgen sieht in der Gesellschaftstransformation einen integralen sozialen Wandlungsprozess, der »auf die Veränderung des gesamtgesellschaftlichen Ordnungs- und Institutionengefüges« abzielt. Die Entwicklung ist gekennzeichnet durch einen »Generierungsprozess neuer Gesellschaftsformen«, in dem Anfang und Ende nicht klar definiert werden können. Dabei berücksichtigt Kollmorgen die sozialstrukturellen und soziokulturellen Praktiken im Hinblick auf soziale Umschichtungen, die neu entstehenden Ungleichheiten sowie einen Wertewandel. Wenn zudem »die informellen Institutionen, mentalen Modelle, Lebensformen und [ …] Strukturen« einbezogen werden, beschreibt der Begriff der Gesellschaftstransformation Prozesse, die alle Lebensbereiche substanziell beeinflussen. Zugleich werden die Betroffenen als Individuen und Gesellschaft politisch, wirtschaftlich, sozial, kulturell und nicht zuletzt mental herausgefordert.

Dabei kann der Transformationsprozess als Suche nach einem neuen Gesellschaftsvertrag verstanden werden, wobei »kulturelle, lebensweltliche Veränderungen Element oder Voraussetzung einer solchen Suche« sind. Hierbei werden sowohl soziale Veränderungen als auch alternative Handlungsregularien gesucht, um einen gesellschaftlichen Verständigungsprozess zu diesen Fragen zu erzielen und zugleich Kommunikationsprozesse zu initiieren, in denen die verschiedenen Handlungspräferenzen diskutiert werden.

Bewältigung von Transformationsprozessen im 21. Jahrhundert

Eine solche Theorie gesellschaftlicher Transformation rückt nicht nur die Komplexität einer sich wandelnden Gesellschaft in den Vordergrund. Sie birgt zugleich ein produktives Moment in sich, das für die Lösung grundlegender Probleme und Herausforderungen der Gegenwart elementar ist. Die akuten Transformationen unserer Zeit tragen deutlich die Handschrift handelnder Akteurinnen und Akteure: Vor allem Politik und Wirtschaft prägen die entsprechenden Prozesse. Wie im Falle des Klimawandels, beziehungsweise bei der Frage, wie dieser bewältigt werden soll, werden jedoch auch andere Einflusssphären deutlich. Hierzu können etwa Protestbewegungen wie die zuvor erwähnten Fridays for Future gezählt werden. Auf der anderen Seite stehen im wörtlichen Sinne konservative Kräfte, die am gesellschaftlichen und politischen Status quo festhalten. Nur kurz seien hier beispielhaft Initiativen genannt, die sich gegen den Ausbau der Windenergie einsetzen.

Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe besteht darin, verschiedene politische Ausrichtungen und gesellschaftliche Gruppen mitzunehmen, ohne dass der gesellschaftliche Diskurs beeinträchtigt oder gar vergiftet wird.

Es ist begrüßenswert, dass insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel die Debatte um Verteilungskonflikte in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus gerückt ist. Bedingt durch die unterschiedlichen Forderungen und Interessen verschiedener politischer Akteure und Unternehmen in diesem Feld, stellt sich die Abwägung von Veränderung und gesellschaftlicher Sicherheiten vielfach als ein Dilemma dar. Spannungen werden insbesondere dann deutlich, wenn ökologische, ökonomische und soziale Sichtweisen gegenseitig in Stellung gebracht werden. Dies ist die Kehrseite der eingangs erwähnten vermeintlich konstruktiven Grundhaltung gegenüber den notwendigen Schritten gegen den Klimawandel.

Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe besteht darin, verschiedene politische Ausrichtungen und gesellschaftliche Gruppen mitzunehmen, ohne dass der gesellschaftliche Diskurs beeinträchtigt oder gar vergiftet wird, wobei »unterschiedliche Prioritäten, Hoffnungen und Bedenken« berücksichtigt werden müssen. Die Begleitung klimapolitischer Maßnahmen mit dem damit verbundenen Transformationsprozess erfordert daher große Sensibilität. Vielstimmige Aushandlungsprozesse auf der einen, massive Konfliktpotenziale auf der anderen Seite sorgen dafür, dass die Transformation an dieser Stelle nicht einseitig normativ beschrieben werden kann.

Wiedervereinigung als Blaupause

Auch die Folgen der Wiedervereinigung erweisen sich als Generationenaufgabe, die auch nach über 30 Jahren nicht abgeschlossen ist. Den damit verbundenen Entwicklungen ist nicht nur der Quellcode zum Verständnis des gesamtgesellschaftlichen Gefüges in der Jetztzeit eingeschrieben. Sie können gleichzeitig als Blaupause für viele andere Transformationsprozesse dienen. Die Entwicklung nach 1989 / 90 gilt als idealtypisch für einen solch tiefgreifenden Veränderungsprozess, da ein politisches und ökonomisches System abgewickelt wurde. Institutionen wurden ausgetauscht, Märkte umgewandelt, Arbeitsplätze gingen vielerorts verloren. Daher führte die Wiedervereinigung trotz der enormen Investitionen – etwa in Infrastrukturen – nicht überall zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensbedingungen und der Daseinsvorsorge vor Ort.

Diese Schwierigkeiten dürften auch bei bevorstehenden Transformationsprozessen eine Herausforderung darstellen, weswegen Parallelen mit Blick auf Fragestellungen zur Ökologie und der Digitalisierung bereits jetzt Gegenstand der Debatten sind.

Transformation als Schlüsselkompetenz

Obwohl gesellschaftlicher Wandel ein permanenter Zustand gemeinsamen Zusammenlebens ist, ist gerade die Gesellschaftstransformation für die politische Bildung von großer Bedeutung: Neben dem inhärenten Konfliktpotenzial sind es insbesondere die Schnelligkeit und die Wucht von gesellschaftlichen Transformationen, die dazu führen, dass sie sich als Bruch in der Biografie der Betroffenen manifestieren, der über Jahrzehnte nachwirken kann. In der Transformation erodieren sinnstiftende Gemeinschaftsstrukturen, emotional besetzte kollektive Identifikationsorte oder positive Zugehörigkeitsmodelle. Zugleich verschwinden vertraute Kategorien und Sozialräume wie auch soziale und kulturelle Gewissheiten. Mit ihnen zusammen verändern sich Formen von Vergesellschaftung und Kommunikation.

Der Anspruch politischer Bildung besteht auch darin, zusammen mit Beteiligten nachhaltige Zukunftsvisionen zu erarbeiten, neue Narrative und an die Lebensrealitäten angepasste Wertegerüste zu entwickeln sowie institutionelle Verfahren zu gestalten.

In dieser Gemengelage positioniert sich die politische Bildung nicht entlang eines Top-down-Prinzips, sondern tritt unmittelbar in den Dialog mit den Menschen. Dadurch sollen die vielfältigen Perspektiven der Gesellschaft aufgezeigt und zugleich die Ambiguitätstoleranz und Resilienz durch die Kontextualisierung verschiedener Sichtweisen gestärkt werden. Resilienz meint in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, diverse Meinungen und Lebensweisen auszuhalten, die in der Pluralität unserer Gesellschaft ganz automatisch aufeinanderprallen. Auch weil durch Gesellschaftstransformationen Sicherheiten ins Wanken geraten, will politische Bildung die Akteurinnen und Akteure dazu ermutigen, den Prozess aktiv mitzugestalten, und sie dabei stärken, diesen für sich gewinnbringend zu erleben.

Alte Sicherheiten kann zwar auch die politische Bildung nicht ersetzen, ohnehin muss sich die Profession stets ihrer Einflussmöglichkeiten bewusst werden und diese transparent machen. Politische Bildung kann jedoch nicht nur die Stimmen hörbar machen und Räume zum Austausch schaffen. Ihr Anspruch besteht auch darin, zusammen mit Beteiligten nachhaltige Zukunftsvisionen zu erarbeiten, neue Narrative und an die Lebensrealitäten angepasste Wertegerüste zu entwickeln sowie institutionelle Verfahren zu gestalten.

Gestaltungsmöglichkeiten erkennen und nutzen

Es gilt, Angebote dahingehend zu schaffen, dass Personen ohne Angst und mit Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten diese Veränderungsprozesse durchschauen und sie selbstbestimmt mitlenken. Menschen sollen dazu gebracht werden, sich in eine Situation zu versetzen, in der sie ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten erkennen und anwenden. Selbstwirksamkeitserfahrungen können beispielsweise über moderierte Konversions- oder Bürgerbeteiligungsverfahren initiiert werden – sowohl in der Freizeit als auch am Arbeitsplatz. Im Übrigen erweisen sich insbesondere im Umgang mit der Digitalisierung und auch hinsichtlich der Klimapolitik Formate der politischen Bildung als sehr anschlussfähig an das betriebliche Umfeld vieler Menschen in Deutschland. Immerhin vollzieht sich der digitale und der ökologische Wandel genau dort mit am sichtbarsten.

Ziel sollte sein, Entscheidungsprozesse unter größtmöglicher Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger herbeizuführen und die Dringlichkeit der Themen gesamtgesellschaftlich bewusst zu machen.

Akteurinnen und Akteure der politischen Bildung sind zudem gut beraten, sich auch an benachbarten Disziplinen zu orientieren. Insbesondere bezüglich des Umgangs mit dem Klimawandel kann das Konzept der Gestaltungskompetenz, das seit rund 15 Jahren im Bereich der Nachhaltigkeitsbildung Anwendung findet, didaktisch und methodisch neue Impulse geben. Nach Gerhard de Haan wird unter Gestaltungskompetenz die Fähigkeit bezeichnet, ­»Wissen über nachhaltige Entwicklung anwenden und Probleme nicht nachhaltiger Entwicklung erkennen zu können«. Damit verbunden ist die Entwicklung von (Handlungs-) Fähigkeiten, die ermöglichen sollen, Entscheidungen zu treffen und diese »individuell, ­gemeinschaftlich und politisch« umsetzen zu können.

Gestaltungskompetenz umfasst eine Reihe von Teilkompetenzen, die auch für die politische Bildung noch stärker in den Fokus gehören: darunter etwa die Bereitschaft, Wissen auf neuen Perspektiven aufzubauen, sich selbst und das eigene Umfeld zum Mitmachen zu motivieren, oder auch die Empathie und Solidarität für Benachteiligte. Es handelt sich um ein Bildungsverständnis, das explizit zukunftsorientiert ist und die (Vor-) Erfahrungen der ­angesprochenen Zielgruppen aufgreift.

Entscheidungsprozesse sollten möglichst viele einbinden

Ziel sollte sein, Entscheidungsprozesse unter größtmöglicher Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger herbeizuführen und die Dringlichkeit der Themen gesamtgesellschaftlich bewusst zu machen. Die Zielgruppen sollen auch bei der Entwicklung neuer Formate eingebunden werden, um nicht in der recht homogenen und selbstreferenziellen Perspektive der professionellen politischen Bildung verhaftet zu bleiben. Zugleich kann eine Lektion für Gesellschaftstransformationen gerade nach den Erfahrungen infolge der Wiedervereinigung folgendermaßen lauten: Die Implementierung demokratischer Institutionen ist nicht ausreichend, um soziale Bindungswirkungen zu entfalten. Das gilt umso mehr, als dass die Verbindung der beiden deutschen Staaten vielfach als Überstülpen fremder Institutionen wahrgenommen worden sei.

Aus diesem Grund ist es unabdingbar, sicherzustellen, dass sich Menschen die demokratischen »Institutionen aktiv aneignen und durch ihr Handeln bestätigen«. Dafür muss die politische Bildung zivilgesellschaftliche Strukturen stärken, um kein Vakuum der gelebten Demokratie entstehen zu lassen. Gerade dort, wo Strukturen der Daseinsfürsorge weggebrochen sind, ist es geboten, an Ansätze demokratischer Alltagskultur anzudocken, indem beispielsweise in Sportvereinen oder in der Feuerwehr Aushandlungsprozesse gefördert werden. Im Zusammenhang mit der Frage nach gesellschaftlichem Zusammenhalt sind in den vergangenen Jahren insbesondere in ländlich-strukturschwachen Gegenden der Bundesrepublik Formate entstanden, die in eine vielversprechende Richtung weisen.

Bildungsprozesse müssen von den Lernenden ausgehen

Auf diese Weise können kreative Bildungsprozesse entstehen, die von den Bedarfen und der Lebensrealität der Lernenden ausgehen und dadurch leichter als relevant vermittelt werden können. Essenziell ist zudem, der Wahrnehmung entgegenzutreten, dass die Betroffenen pauschal fremdgesteuert sind – etwa durch die Politik oder die Wirtschaft. Gerade in gegenwärtigen Prozessen der Gesellschaftstransformation wird diese Wahrnehmung frustrierend sein, wenn Entscheidungen, die das eigene Leben markant verändern, über den eigenen Kopf hinweg getroffen werden. Ebenso kommt es jedoch darauf an, dem Eindruck vorzubeugen, dass die politische Bildung als Agentin hegemonialer Strukturen auftritt. Fest verankert im Grundgesetz und menschenrechtsorientiert, eröffnet die politische Bildung Reflexionsräume, in denen offen und kontrovers über gesellschaftliche Verhältnisse sowie verschiedene politische Systeme diskutiert werden kann.

Fest verankert im Grundgesetz und menschenrechtsorientiert, eröffnet die politische Bildung ­Reflexionsräume, in denen offen und kontrovers über gesellschaftliche Verhältnisse sowie verschiedene politische Systeme diskutiert werden kann.

Die sozialräumlichen Lösungsansätze, die gemeinsam mit den Menschen erarbeitet und von ihnen geprägt werden, können zwar nicht eins zu eins auf andere Kontexte übertragen werden. Nicht alles, was die politische Bildung im Kontext der Wiedervereinigung erprobt hat, werden wir etwa in den Bereich des Klimawandels übersetzen können. Dennoch können viele Formate eine Folie für andere Regionen und Umstände sein, sodass an jene Erfahrungen und erworbenen Kompetenzen angedockt werden kann. Entscheidend ist, die oftmals schmerzhaften Transformationserfahrungen als Ressource für die Zukunft zu begreifen. Gerade Personen, die bereits eine Transformation erlebt und durchgemacht haben, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten neue Fähigkeiten angeeignet und Lösungen für die persönlichen Probleme und die ihres Umfelds gefunden. Aus Sicht der politischen Bildung ist es daher produktiv, Werkzeuge dafür zu entwickeln, um vorhandene Kompetenzen mit Transformationserfahrungen freizulegen, weiterzuentwickeln und diese der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

Dabei reicht es nicht, die Transformationsthemen allein unter innerstaatlichen Vorzeichen zu betrachten. Projekte wie der New Deal der Europäischen Union unterstreichen, dass alle nationalen Anstrengungen und Besonderheiten der jeweiligen Gesellschaften in globalen Kontexten stehen. In den hiesigen Debatten um den Zusammenbruch des Ostblocks sind internationale Perspektiven oftmals zu kurz gekommen. Daher wäre es gut, dieses Versäumnis sowohl mit Blick auf die Wiedervereinigung aufzuarbeiten als auch bei der Auseinandersetzung mit den sogenannten Zukunftsaufgaben gar nicht erst zu wiederholen.

Die politische Bildung hat jedenfalls die Aufgabe angenommen, jene Wissensbrücken zu bauen, die bei der Bewältigung der akuten Transformationsprozesse helfen können. Aus der Perspektive der Betroffenen ist es wichtig, Unsicherheiten anzuerkennen und – falls nötig – damit einhergehende Polarisierungen und Konflikte aufzugreifen. Diese Ehrlichkeit, verbunden mit der konzeptionellen handlungs- und sozialraumorientierten Vielschichtigkeit, ist die Conditio sine qua non der politischen Bildung im Umgang mit jeglichen Formen der Transformation.

Thomas Krüger, geb. 1959, ist seit Juli 2000 Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Er war 1989 einer der Gründungsmitglieder der Sozialdemokraten in der DDR (SDP) und blieb bis 1990 deren Geschäftsführer in Berlin (Ost) und Mitglied der Volkskammer in der DDR. Er war 1990 bis 1991 als Erster Stellvertreter des Oberbürgermeisters in Ost-Berlin tätig sowie als Stadtrat für Inneres beim Magistrat Berlin und in der gemeinsamen Landesregierung. Von 1991 bis 1994 war er Senator für Jugend und Familie in Berlin, 1994 wurde er für die SPD in den Deutschen Bundestag gewählt.