Was es für die Transformation der deutschen Automobilindustrie braucht
Mit dem »Green Deal« hat die EU den größten Transformationsplan für die Industrie auf den Weg gebracht, den es für Deutschland je gegeben hat. Als erster Kontinent der Welt bis 2050 klimaneutral werden, das ist nun Europas Ziel – und eine gewaltige Aufgabe für Politik, Gesellschaft und nicht zuletzt die Industrie. Deutschland kommt dabei eine Sonderrolle zu, denn hier soll das Ziel der Klimaneutralität bereits fünf Jahre früher erreicht werden. Weil wesentliche Rahmenbedingungen für die Industrie – von der CO₂-Grenzsteuer bis zu den Emissionsvorgaben – auf europäischer Ebene geregelt werden, deutsche Hersteller ihre Autos aber weltweit verkaufen, verbietet sich allerdings ein nationaler Sonderweg.
Neben dem Weg zur Klimaneutralität ist das vernetzte, automatisierte und autonome Fahren das große Thema der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Die deutschen Unternehmen haben bereits technologische Lösungen entwickelt, um das autonome Fahren Schritt für Schritt auf die Straße zu bringen. Rund 150 Milliarden Euro investiert die deutsche Automobilindustrie bis Ende 2025 in E-Mobilität, neue Antriebe und die Digitalisierung. Das entspricht in etwa der Summe, die der Bundeshaushalt im selben Zeitraum für Bildung, alle Forschungsprogramme und alle Forschungsinstitute inklusive der Raumfahrt investiert. Bei den Unternehmen muss das Geld aber auch verdient werden, weshalb der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Transformationsziele die entscheidende Bedeutung zukommt.
Rund 150 Milliarden Euro investiert die deutsche Automobilindustrie bis Ende 2025 in E-Mobilität, neue Antriebe und die Digitalisierung.
Was also ist zu tun, um die gesetzten Ziele zu erreichen und gleichzeitig die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, ihre Rolle als wichtiger Beschäftigungsgarant und als Konjunkturmotor für Deutschland und Europa zu sichern?
Im Zentrum der europäischen und deutschen Klimastrategie steht die Reduktion von CO₂. In der Tat kommt dem Verkehr dabei eine besondere Rolle zu. Weltweit beträgt der Anteil des Verkehrssektors an der Gesamt-CO₂-Emission rund 25 Prozent. In Europa verursachen Pkw und Motorräder mit mehr als 60 Prozent den größten Teil der CO₂-Emissionen im Bereich Verkehr, auf Lkw und Busse entfallen 26 Prozent, weitere 13 Prozent auf leichte Nutzfahrzeuge. Diese Werte entsprechen ungefähr den Emissionen in Deutschland, und sie zeigen, welche immense Bedeutung Mobilität, Transport und Logistik für die Gesellschaft haben.
Hohe Marktanteile der deutschen Automobilindustrie
Der weltweite Marktanteil der deutschen Konzernmarken lag 2020 bei 20 Prozent, der Marktanteil in Europa bei 49 Prozent. Damit kommt der deutschen Automobilindustrie innerhalb des Verkehrssektors eine besondere Verantwortung zu, Emissionen weiter zu senken, indem sie neue Antriebe in den Markt bringt und gleichzeitig die Defossilisierung des Fahrzeugbestandes in Angriff nimmt. Denn allein in Deutschland werden im Jahr 2030 noch rund 30 Millionen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor unterwegs sein, die mit synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbaren Energiequellen versorgt werden müssen, um einen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können. Mit einer einseitigen Ausrichtung der Transformation allein auf Elektroantriebe werden die Klimaziele nicht erreicht werden können, nicht in Deutschland, nicht in Europa und schon gar nicht weltweit, denn in vielen Ländern der Welt wird es auf längere Sicht keine elektrischen Fahrzeuge und keine entsprechende Ladeinfrastruktur geben.
In Europa ist die deutsche Automobilindustrie bereits führend bei der Entwicklung der E-Mobilität. Keine andere Nation bringt mehr neue Elektroautos auf Europas Straßen. Im nächsten Frühjahr können die deutschen Hersteller gemeinsam die weltweite Nummer eins werden und aus dem E-Auto-Europameister Deutschland einen E-Auto-Weltmeister machen.
In der Automobilindustrie gibt es keine Zweifel: Die Pariser Klimaziele sind richtig. So hat sich der Vorstand des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) bereits im November 2020 zu den Zielen bekannt und beschlossen, die Produktion entsprechend umzusteuern. Damit wurde die deutsche Autoindustrie zum Vorreiter innerhalb der internationalen Industrie. Diese Vorreiterrolle wird sie aber nur unter einer Bedingung halten können: Die Europäische Kommission muss gemeinsam mit den Mitgliedstaaten nun rasch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Unternehmen die Verpflichtungen aus dem im Juli durch die Kommission vorgestellten »Fit for 55«-Klimapaket auch umsetzen können.
Agenda für 2025
- Reduzierung des Preises von Ladestrom durch Ausnahme aus der EEG-Umlage
- Ausbau der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Bereich, von privater Ladeinfrastruktur, von Ladeinfrastruktur im Handel und am Arbeitsplatz
- Ökostromgarantie für Ladestrom
- Festlegung von verbindlichen und deutlich höheren Ausbauzielen für Ladeinfrastruktur in allen Mitgliedstaaten der EU
- E-Fuels-Förderprogramme in Deutschland und Europa
- 300 Lkw-Wasserstofftankstellen in Europa
Ab 2035 faktisches Verbrennerverbot in der EU
Bis 2030 sollen die EU-Treibhausgasemissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden statt wie bisher vorgesehen um 40 Prozent. Das »Fit for 55«-Gesetzespaket der EU-Kommission soll den Regulierungsrahmen der europäischen Energie- und Klimapolitik an dieses neue Ziel anpassen. So will die EU-Kommission den klassischen Kolbenmotor mit Verbrennertechnik, also Benziner und Dieselfahrzeuge, ab 2035 in Europa faktisch auslaufen lassen. Es wurde zwar kein formelles Verbot beschlossen, dafür aber ein Flottengrenzwert von null Gramm.
Auf dem Weg zu dieser Nullgrenze im Jahr 2035 hat die EU-Kommission zwei Zwischenziele für die Reduktion der CO₂-Flottengrenzwerte definiert: Bis 2025 gilt weiterhin das Reduktionsziel von 15 Prozent. Bis 2030 wurde das Ziel für Pkw von 37,5 auf 55 Prozent angehoben, was einer Verschärfung um 28 Prozent entspricht. Und für leichte Nutzfahrzeuge steigt die Zielmarke von 31 auf 50 Prozent, was ebenfalls einer Verschärfung um 28 Prozent entspricht. Wenn die Pläne der EU-Kommission Wirklichkeit werden, müssen in Deutschland 2030 rund 80 Prozent der Neuwagen elektrisch sein. Ab 2032 werden die Hersteller nur noch E-Autos verkaufen können, um die Vorgaben der EU zu erfüllen.
Aus diesen ambitionierten Zielen ergeben sich erhebliche Anforderungen an den Ausbau der Ladeinfrastruktur, deren Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen, an die Versorgung mit grünem Wasserstoff und, wie schon erwähnt, auch mit E-Fuels. Dennoch bleibt die EU-Kommission ein Programm für den raschen Aufbau ebendieser notwendigen E-Fuels-Versorgung schuldig.
Ladeinfrastruktur als Achillesferse
Für die Verbraucher ist die Ladeinfrastruktur der entscheidende Punkt, wenn es um die Entscheidung für ein Auto mit Elektroantrieb geht. Dies zeigt eine Erhebung von Allensbach im Auftrag des VDA. So nennen 64 Prozent der Befragten die Sorge über fehlende Lademöglichkeiten als größten Vorbehalt gegen einen E-Auto-Kauf, gefolgt von Reichweite und Preis. Die Daten zeigen: Die Ladeinfrastruktur ist die Achillesferse der Transformation im Straßenverkehr. Im Juli 2021 verfügte Deutschland im öffentlichen Bereich gerade einmal über rund 39.000 Normal- und rund 6.750 Schnellladepunkte. Bis 2030 braucht Deutschland jedoch eine Million Ladepunkte, um die dann zu erwartenden zehn bis 14 Millionen E-Fahrzeuge versorgen zu können.
Zur Erreichung dieses Zieles müssten 2.000 Ladepunkte pro Woche neu gebaut werden, tatsächlich werden aber auf öffentlichen Flächen pro Woche derzeit nur etwa 250 gebaut. Mit der heutigen Ausbaugeschwindigkeit gäbe es 2030 also gerade einmal circa 150.000 öffentliche Ladepunkte. Der Ausbau muss also in etwa um den Faktor sieben beschleunigt werden, und das vor allem mit Lademöglichkeiten im privaten Bereich, im Handel und am Arbeitsplatz. Es braucht ein bundesweites Highspeedprogramm mit konkreten Zielvorgaben für die jeweiligen Bereiche, um den Rückstand aufzuholen.
Die Bundesregierung sollte den Ländern und Kommunen verpflichtende Ziele auferlegen und die entsprechenden Förderprogramme erweitern, damit der Ausbau an den privaten Stellplätzen, im Handel und am Arbeitsplatz deutlich beschleunigt wird. Dabei sind für den Nutzer vor allem die Ladesituationen von Bedeutung, die mit den üblichen Standzeiten des Fahrzeugs verbunden sind, also der heimische Parkplatz, der Parkplatz beim Einkauf und der Parkplatz am Arbeitsplatz. Hier sollte die staatliche Förderung einen klaren Schwerpunkt haben.
Deutschland muss ausgleichen, was in Europa fehlt
Nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen EU muss der Ausbau der Ladeinfrastruktur massiv beschleunigt werden, denn weite Teile der Mitgliedstaaten verfügen über kaum mehr als eine spärliche Ausstattung mit Lademöglichkeiten. Zwei Drittel aller Ladeinfrastruktur in der EU finden sich in gerade einmal drei Ländern: Deutschland, den Niederlanden und Frankreich.
Von dieser Ungleichverteilung ist die deutsche Automobilindustrie in besonderer Weise negativ betroffen. Weil für die Hersteller Flottengrenzwerte gelten, also der durchschnittliche CO₂-Ausstoß über alle in der EU verkauften Fahrzeuge, und ein Verstoß gegen diese Grenzwerte mit erheblichen Strafzahlungen verbunden ist, ist die fehlende Ladeinfrastruktur ein erhebliches Vertriebsrisiko. Denn ohne die Aussicht der Verbraucher, das eigene Fahrzeug alltagstauglich laden zu können, wird sich der Absatz der Hersteller nicht ausreichend schnell steigern lassen.
Zwei Drittel aller Ladeinfrastruktur in der EU finden sich in gerade einmal drei Ländern: Deutschland, den Niederlanden und Frankreich.
Für jedes E-Auto, das in Slowenien, Griechenland oder Ungarn wegen der fehlenden Ladeinfrastruktur nicht verkauft werden kann, muss ersatzweise eines in Ländern, die eine bessere Ladeinfrastruktur bieten, verkauft werden. Damit steigt abermals der Druck auf Deutschland, die heimischen Lademöglichkeiten energisch auszubauen, damit die Absatzziele erreicht werden können. Wenn Bund, Länder und Kommunen mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht nachkommen und die Bundesregierung in Brüssel keinen deutlich ambitionierteren Ausbauplan für ganz Europa durchsetzen kann, kommen auf die deutschen Automobilhersteller Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu, weil sie in den europäischen Märkten zu wenig E-Autos absetzen können. Damit müsste der Anteil des Exports ins außereuropäische Ausland weiter erhöht werden, mit der Folge, dass in Europa die alten Fahrzeuge länger im Markt bleiben – klimapolitisch eine völlig falsche Entwicklung.
Der massive Eingriff in den Markt, den die neuen CO₂-Vorgaben und die mit ihnen verbundenen Strafzahlungen bedeuten, ist nur dann legitim, wenn die Unternehmen in die Lage versetzt werden, die geforderten Ziele auch erreichen zu können. Der gegenwärtige Plan der EU-Kommission sieht europaweit eine Million Ladepunkte 2025 und 3,5 Millionen Ladepunkte 2030 vor. Das ist deutlich zu wenig. Der tatsächliche Bedarf liegt bei zwei Millionen Ladepunkten 2025 und sechs Millionen 2030. Aktuell vorhanden sind innerhalb der EU übrigens gerade mal 260.000 Ladepunkte.
Das von der EU-Kommission vorgegebene Ziel, dass die Mitgliedstaaten entlang der wichtigen Verkehrswege bis 2025 alle 60 Kilometer Ladepunkte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bereitstellen müssen, ist völlig realitätsfremd. Die Abstände sind zu groß und würden eine hohe Dichte von Fahrzeugen, die an einem Ort geladen werden müssen, erzeugen. Der von der Kommission avisierte Schlüssel von 1 kW Ladeleistung pro E-Fahrzeug reicht ebenfalls nicht aus. Aus Sicht der Industrie ist ein Faktor von 2 bis 3 kW Ladeleistung pro rein elektrisch betriebenem Fahrzeug und von 1,5 kW Ladeleistung pro Plug-in-Fahrzeug erforderlich. Die Vorgaben für die Flächen- und Bedarfsdeckung bei der Ladeinfrastruktur müssen verbessert und konkretisiert werden.
Die schnelle Verfügbarkeit von Wasserstoff und E-Fuels ist ein tragender Faktor für das Erreichen der Klimaziele. Deswegen fordert die Industrie eine ehrgeizige Quote für E-Fuels und das Vorziehen der Vorgaben zum Ausbau der Wasserstofftankinfrastruktur auf 2025 sowie eine Verdoppelung der Ziele bis 2030. Die Industrie hält bis 2030 30 Prozent erneuerbare Kraftstoffe für erforderlich, damit das Klimaziel für den Verkehrssektor erreicht werden kann. Diese Quote sollte bis 2050 auf 100 Prozent erhöht werden.
Verfügbarkeit und Kosten des Ökostroms
Die Transformationsstrategie der EU setzt auf Elektroantrieb im Individualverkehr und eine Dualität von Wasserstoff- und E-Antrieb im Güterverkehr auf der Straße. Damit richtet sich der Blick auf die Qualität, die Verfügbarkeit und die Kosten des Stroms, der aus erneuerbaren Energiequellen stammen muss, damit er den Zielen des »Green Deals« entspricht. In der EU werden im Mittel 255 Gramm CO₂ je Kilowattstunde Strom emittiert, in Deutschland liegt der Wert sogar bei 350 Gramm. Aktuell ist der Anteil von Ökostrom in Deutschland und erst recht in der EU deutlich zu niedrig.
In Deutschland lag der Anteil der erneuerbaren Energie im ersten Halbjahr 2021 bei 43 Prozent, in der EU bei gerade einmal 20 Prozent. In den vergangenen Jahren lag der Anteil des Schienen- und Straßenverkehrs am Stromverbrauch in Summe bei stabilen fünf bis sechs Prozent. Dieser Bedarf wird sich mit der vorgesehenen Elektrifizierung des Straßenverkehrs deutlich erhöhen – und er zielt allein auf Ökostrom. Um im Jahr 2030 die zu erwartenden zehn bis 14 Millionen E-Autos in Deutschland ausschließlich mit Ökostrom beladen zu können, braucht es eine enorme Strommenge aus erneuerbaren Energiequellen.
Entscheidend für die gesellschaftliche Akzeptanz der E-Mobilität ist, dass die Kosten für die Verbraucher tragbar bleiben. Aktuell gelten in Europa die höchsten Strompreise seit zwölf Jahren, wir haben gar eine Verdoppelung in kurzer Zeit zu verzeichnen. Das führt zu entsprechend hohen Kosten an den Ladesäulen, vor allem an den Schnellladesäulen mit kürzeren Wartezeiten.
Bei Preisen von bis zu 1,09 Euro für eine Kilowattstunde Strom an Schnellladesäulen kosten 100 km mit dem E-Auto damit mehr als 20 Euro – doppelt so viel wie die Fahrt mit einem modernen Diesel. Die hohen Ladekosten und die derzeit noch höheren Anschaffungskosten für ein E-Fahrzeug im Vergleich zu einem Verbrenner mindern die Attraktivität einer E-Auto-Anschaffung für alle Schichten. Den höheren Kosten kommt eine große soziale Bedeutung zu, denn für 76 Prozent der Bevölkerung ist das Auto im Alltag unverzichtbar, wie Allensbach ermittelt hat.
Der Preis für Ladestrom muss also niedrig sein, damit der politisch gewollte Umstieg auf die Elektromobilität auch tatsächlich stattfindet. Dazu muss Ladestrom zum Beispiel von der EEG-Umlage und den Stromsteuern ausgenommen werden. Und es braucht eine Ökostromverpflichtung für alle Anbieter von Ladestrom, damit kein E-Auto mit Strom aus Braunkohle oder Atomstrom betankt werden kann. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Elektromobilität ihr volles Potenzial entfalten.
Agenda für 2030
- Ausbau auf eine Million E-Auto-Ladepunkte in Deutschland
- Ausbau auf sechs Millionen Ladepunkte in der EU
- E-Fuels-Verfügbarkeit in allen EU-Staaten
- 1.000 Lkw-Wasserstofftankstellen in Europa
Wasserstoff als zweiter Pfeiler
Der zweite Pfeiler der Defossilisierung des Verkehrs ist Wasserstoff. Aufgrund seiner hohen Energiedichte ist Wasserstoff besonders geeignet für den Schwerlastverkehr. Aktuell mangelt es jedoch an einer Ladeinfrastruktur für Wasserstoff in Deutschland und Europa. Nur wenige der gerade einmal 92 Wasserstofftankstellen in Deutschland sind für das Betanken von Lkw geeignet, wobei es bisher auch nur wenige Wasserstoff-betriebene Lkw gibt. Allerdings: Während zum Beispiel die Marken des Volkswagen-Konzerns bei Lkw ausschließlich auf Elektro setzen, entwickeln andere deutsche Hersteller wie Daimler Trucks neben E-Antrieben auch den Wasserstoffantrieb bei Lkw.
Mit Blick auf die internationale Marktlage wird Raum für beide Antriebstechnologien sein. Für den Industriestandort Deutschland ist es von großer Bedeutung, dass beide Technologien unterstützt werden. Doch auch für die Tankinfrastruktur für Wasserstoff hat die EU-Kommission ein Ausbauziel vorgegeben, das unter dem tatsächlichen Bedarf liegt. Der VDA sieht einen Bedarf von 300 Lkw-geeigneten Wasserstofftankstellen in Europa bis 2025 und von 1.000 solcher Tankstellen bis 2030.
1,5 Milliarden Fahrzeuge weltweit brauchen E-Fuels
Weil kein Weg daran vorbeiführt, grünen Wasserstoff in großen Mengen für den Einsatz in der Schwerindustrie, der Schifffahrt, für den Flugverkehr und für den Gütertransport verfügbar zu machen, wird er auch in der individuellen Mobilität kommen. Ein Spill-over-Effekt der Mengen- und Kostenentwicklung ist nicht nur wahrscheinlich, sondern notwendig. Aktuell gibt es weltweit rund 1,5 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, und auch in Deutschland werden, wie schon erwähnt, nach 2030 noch mehr als 30 Millionen Verbrenner unterwegs sein. Um das Ziel eines klimaneutralen Verkehrs spätestens 2045 zu erreichen, muss die Transformation auch den Bestand adressieren und darf sich nicht einseitig auf Neuzulassungen konzentrieren. Das zeigt auch der Blick auf Regionen dieser Welt, die in den nächsten Jahrzehnten keine Infrastruktur für E-Mobilität haben werden. Auch dort muss der Verkehr emissionsfrei werden. Daher werden neben E-Mobilität auch andere alternative Antriebe und Kraftstoffe wie E-Fuels und Wasserstoff Teil der Lösung sein müssen.
Schon jetzt gibt es synthetische Kraftstoffe, die einen Verbrennungsmotor antreiben können. Wenn wir es schaffen, dass diese E-Fuels marktreif und zu Preisen, die ökonomisch attraktiv sind, produziert werden, dann können wir einen großen Teil der 1,5 Milliarden Verbrennerfahrzeuge weltweit klimaneutral machen. Selbst in einem stark batterieelektrifizierten Verkehrsszenario ist Europa auf E-Fuels angewiesen. Obwohl also der Beitrag von E-Fuels für die Erreichung der Klimaziele wesentlich ist, findet sich davon im Programm der EU-Kommission nichts. Im Gegenteil: De facto gibt es eine Verpflichtung zur Elektromobilität ab dem Jahr 2035 – und damit eine Abkehr vom technologieoffenen Ansatz. Dies ist eine Absage der EU-Kommission an Forschung und Innovation – und praktisch auch eine Absage an das Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor.
Klimaerfolg hängt an den Standortbedingungen
Die EU-Kommission hat eine große Wette auf die Zukunft abgeschlossen. Wir können diese Wette gewinnen, wenn die Unternehmen die richtigen Voraussetzungen haben, um die geforderte Transformation wirtschaftlich erfolgreich umzusetzen. Schon jetzt schneidet Europa bei wichtigen Standort-Indikatoren im internationalen Vergleich nicht immer gut ab. Die ambitioniertesten Klimaziele der Welt brauchen aber die besten Standortbedingungen der Welt. Die Transformation wird viele neue Jobs schaffen, aber es werden auch viele Arbeitsplätze verloren gehen. Wie die Bilanz ausfällt, hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen für die Unternehmen in Deutschland und Europa ab: von den Unternehmenssteuern, den Energiekosten, den Bürokratielasten, dem digitalen Netz und weiteren Standortbedingungen. Wenn die Produktion nicht mehr in Deutschland stattfindet, sondern in Ländern mit besseren Bedingungen für Unternehmen, ist nichts gewonnen.
Die Welt beobachtet das europäische Jahrhundertprojekt. Ob man uns nacheifert, hängt davon ab, ob Europa Klima-, Sozial- und Wirtschaftspolitik zu einem nachhaltigen Erfolgsmodell und Wettbewerbsvorteil verbinden kann. Die erfolgreiche Transformation der deutschen Automobilindustrie kann das Vorzeigeprojekt werden.
Agenda für 2035
- Ausbau auf zwei Millionen E-Auto-Ladepunkte in Deutschland
- Ausbau auf zehn Millionen Ladepunkte in der EU
- 3.000 Lkw-Wasserstofftankstellen in Europa