Werterhalt statt Wertvernichtung – wie es andere Länder vormachen
Die wirtschaftlichen Prozesse, also die Art und Weise, wie wir Material in unserer Wirtschaft verkaufen, gestalten, produzieren, bewerten und verwalten, müssen dringend überdacht werden. Kreislaufwirtschaft minimiert den Einsatz von nicht erneuerbaren Primärrohstoffen und maximiert deren Nutzungseffizienz. Entsprechende Ideen und Technologien sind reichlich vorhanden, und auch der Wille in Wirtschaft und Gesellschaft ist da. Woran es bislang hapert, ist die politische Umsetzungskraft.
Unser globales Wirtschaftssystem basiert auf der Illusion einer physischen Unendlichkeit, die es nicht gibt. Wir leben auf einem begrenzten Planeten, der nur deswegen schon seit »Ewigkeiten« existiert, weil sich das ökologische System ständig selbst erneuert. Doch in den letzten Jahrhunderten hat der Mensch massiv in diesen Prozess eingegriffen, mit gravierenden Folgen. Diese bleiben nicht unbemerkt: So stufen 65 Prozent der Bundesbürger Umwelt- und Klimaschutz inzwischen als sehr wichtiges Thema ein. In der Gesellschaft regt sich Widerstand: Einzelne Bürger- und Umweltorganisationen gehen juristisch gegen Staat und Großunternehmen vor und haben Erfolg. Der Ölkonzern Shell wurde im Mai 2021 vom Bezirksgericht Den Haag dazu verpflichtet, seinen CO₂-Ausstoß bis 2030 um netto 45 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken.
Produkte werden nicht hergestellt, um zu halten, sondern um ersetzt zu werden. Sie sind darauf ausgelegt, kaputtzugehen, möglichst schnell zu veralten oder aus der Mode zu kommen.
Ähnlich historisch urteilte das deutsche Bundesverfassungsgericht wenige Wochen vorher: Demnach müssen politische Entscheidungen mit Blick auf das Vorsorgeprinzip des Staates auch die Freiheit der künftigen Menschen berücksichtigen und sichern. Doch nicht nur gesellschaftlich und juristisch, sondern auch wirtschaftlich wächst die Einsicht in die Notwendigkeit einer Transformation – und der Wille, diese zu gestalten. Schon die ersten Auswirkungen der drohenden Klimakatastrophe zeigen, welche Wertvernichtung damit einhergeht: Durch den Klimawandel buchstäblich »befeuerte« Brände verursachten 2018 einen Rekordgesamtschaden von 24 Milliarden US-Dollar und vernichteten Milliarden von Tieren.Die finanziellen und wirtschaftlichen Folgeschäden der Flutkatastrophe des Sommers 2021 in Deutschland liegen schon jetzt bei mindestens 30 Milliarden Euro. Das menschliche Leid lässt sich nicht beziffern.
Fast die Hälfte des weltweiten CO₂-Ausstoßes stammt aus Herstellung und Verbrauch von Materialien
Die 2015 in Paris vereinbarten Klimaziele reichen laut Experten nicht aus. Tatsache ist, dass die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre 2019 so hoch war wie in den vergangenen 800.000 Jahren nicht. Solche Negativrekorde sind nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Transformation des Energiesektors zu langsam vonstattengeht. Mit erneuerbaren Energien lassen sich lediglich 55 Prozent der heutigen globalen Treibhausgasemissionen beseitigen, nämlich die, die aus Energieversorgungssystemen, dem Energieverbrauch in Gebäuden und dem Verkehr stammen. Die verbleibenden 45 Prozent stammen aus der Art und Weise, wie wir Produkte, Materialien und Lebensmittel herstellen, verwenden und entsorgen beziehungsweise verbrauchen.
Im Nachdenken über die künftigen wirtschaftlichen Chancen und Risiken stößt man relativ schnell auf drei grundlegende Fehler unseres aktuellen Wirtschaftssystems:
- Die industriellen Prozesse sind linear konzipiert und verwandeln letztlich jede Ressource in nicht verwertbaren Abfall. Wir kennen immer nur eine Richtung: Rohstoffe gewinnen, gebrauchen und schließlich wegwerfen – take, make and waste.
- Unser Wirtschaftssystem basiert auf exponentiellem Wachstum und speist sich aus dem Konsum von Produkten. Die deswegen ständig wachsende Produktion verbraucht immer mehr Ressourcen, die aber endlich sind. Damit stoßen wir nicht nur an die bereits 1972 beschriebenen Grenzen des Wachstums, wir haben auf vielen Gebieten auch die Grenzen der planetarischen Belastbarkeit überschritten.
- Um dieses stetige Wachstum zu ermöglichen, sind Geschäftsmodelle, die auf geplanter Obsoleszenz basieren, in fast jedem Wirtschaftszweig üblich: Produkte werden nicht hergestellt, um möglichst lange zu halten, sondern um ersetzt zu werden. Sie sind darauf ausgelegt, kaputtzugehen, möglichst schnell zu veralten oder aus der Mode zu kommen, wodurch die Menge des Abfalls, der durch den linearen industriellen Prozess entsteht, vervielfacht wird.
Die Lösung heißt Kreislaufwirtschaft
Für diese Fehler des Wirtschaftssystems gibt es eine Lösung: die Kreislaufwirtschaft. Um zu verstehen, was es damit auf sich hat, muss erst einmal ein gängiges Missverständnis ausgeräumt werden: die Gleichsetzung von Kreislaufwirtschaft mit »Recycling«. Denn obwohl der Name etwas anderes suggeriert, ist unsere heutige Praxis des Recyclings die letzte Stufe des linearen Materialsterbeprozesses.
Laut einer Studie von McKinsey haben unsere Güter schon nach einem einzigen Nutzungszyklus bereits 95 Prozent ihres Materialwertes eingebüßt. In Schweden, das sich einer Recyclingquote von 99 Prozent rühmt, werden gerade einmal 24 Prozent des ursprünglichen Materialwertes erhalten. Ein riesiger Teil des Mülls wird schlicht verbrannt. Zwar wird aus dem Abfall mithilfe der Müllverbrennungsanlagen Energie produziert. Aber echte Kreislaufwirtschaft meint etwas anderes: den Einsatz von nicht erneuerbaren Primärrohstoffen zu minimieren, die Nutzungseffizienz von Material zu maximieren und das gesamte System auf den Ge-brauch von Material hin umzubauen, statt auf seinem Ver-brauch aufzubauen.
Der Kreislaufwirtschaftsgedanke beginnt bereits beim Produktdesign, das auf Materialerhalt, Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit ausgelegt wird. Neue Geschäftsmodelle wie Product-as-a-Service oder Sharing-Konzepte ermöglichen eine längere und intensivere Nutzung von Produkten, das Verlängern von Produktlebenszyklen über Reparaturen oder »Refurbishment« und schließlich den Werterhalt der Materialen über Wiederaufbereitung und Recycling. Allerdings bedarf es einer Kombination all dieser Elemente aus Produkt- und Prozessanpassungen, wenn eine echte Kreislaufwirtschaft entstehen soll.
Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft setzt voraus, dass Materialeinsatz bewusst gestaltet, Materialströme organisiert und Materialkreisläufe geschlossen werden. Die traditionelle lineare Wertschöpfungskette, die eine Wertvernichtungskette ist, muss durch eine Werterhaltungskette ergänzt werden. Die bewusste Verbindung führt zu einem ständigen Materialkreislauf, wodurch Material nicht mehr verloren gehen kann. Im Prinzip muss Material so eingesetzt werden, dass es nicht verbraucht, sondern lediglich gebraucht wird. Der größte denkbare Schritt wäre es, Material selbst nur noch als Service zur Verfügung zu stellen. »Produkte von heute sind Rohstoffe von morgen zu Preisen von gestern«, brachte Vordenker Walter Stahel den Wesenskern der Kreislaufwirtschaft auf den Punkt.
Veränderte Einstellungen in der Gesellschaft
Die Gesellschaft ist zu einer Transformation der Wirtschaft zunehmend bereit. Umfragen zeigen, dass immer mehr Menschen Umweltverschmutzung und Trinkwasserqualität mit Sorge betrachten. Die Rückbesinnung auf Qualität, statt Wegwerf- oder Einwegprodukte zu nutzen, findet größte Akzeptanz in der breiten Bevölkerung: 82 Prozent der Befragten hielten ein Verbot von Einwegprodukten in einer Umfrage für »richtig und sinnvoll«. Die veränderte Einstellung vieler Menschen zu Besitz und Gebrauch (Stichwörter Sharing Economy und Servitization) ist in manchen Bereichen schon Teil des Alltags geworden, sei es bei Streamingdiensten oder in der Mobilität. Immer mehr Konsumenten sind in immer mehr Bereichen bereit, für die Nutzung oder den Nutzen von Produkten zu bezahlen, anstatt sie zu kaufen. Die Digitalisierung beschleunigt diesen Wandel: Leicht zu bedienende Apps und Mikrozahlungssysteme vereinfachen den Wandel der Gewohnheiten und ermöglichen neue, deutlich ressourceneffizientere Geschäftsmodelle und Dienstleistungen.
Unternehmen sehen Wettbewerbsvorteile
Auch die Wirtschaft erkennt die enormen Chancen einer Kreislaufwirtschaft. Die neuen Technologien reduzieren die Transaktionskosten drastisch, sodass es sich für Unternehmen lohnt, in kreislauforientierte Geschäftsmodelle zu investieren. Unternehmen, die ihre Produkte langlebig gestalten, können zudem über mehrere Lebenszyklen Gewinne zu machen. Produkt-Service-Systeme erlauben eine wesentlich bessere Kundenbindung und eine erweiterte Produzentenverantwortung. Auch der effiziente Einsatz von Materialien rückt vermehrt in den Fokus, um die Treibhausgasemissionen maßgeblich zu reduzieren. Mehr noch: Unternehmen, die ihren Rohstoffbedarf erheblich reduzieren oder ihre Stoffkreisläufe schließen, schützen nicht nur das Klima, sondern haben angesichts der knappen Rohstoffmärkte auch einen Wettbewerbsvorteil.
Druck kommt derzeit vor allem aus der Finanzwirtschaft: Langfristig orientierte institutionelle Anleger wie Pensionskassen, Versicherungen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts setzen längst auf »Green Finance«. Es findet also ein Umdenken statt: Investoren berücksichtigen verstärkt Klimafolgen im Risikomanagement und Nachhaltigkeitsaspekte in der Portfoliokonstruktion. Die Rufe der Wirtschaft werden lauter: Analog zum Corona-Krisenmanagement müsse es auch in der Klimakrise ein deutliches staatliches Eingreifen geben, heißt es.
Agenda für 2022
- Bis Ende 2022 sollte die neue Bundesregierung ein Sonderministerium für Kreislaufwirtschaft eingerichtet haben. Dieses hat eine Koordinationsfunktion zwischen den anderen Ministerien und ist während eines Zeitraums von sieben Jahren für die Entwicklung und Umsetzung einer Gesamtstrategie und eines detaillierten Maßnahmenkatalogs für den umfassenden Umbau von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in Richtung Kreislaufwirtschaft verantwortlich.
- Zu den Aufgaben des Ministeriums gehören eine umfassende Steuerreform, gesetzliche Regelungen und auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Investitionen in Forschung, Bildung und Digitalisierung (Besetzung: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft).
Der Staat muss den Takt vorgeben
Der spielentscheidende Ball liegt jetzt im Feld der Politik, denn die Einführung der Kreislaufwirtschaft ist eine Systemtransformation. Und sie sollte kurzfristig beginnen: Ein erster, einfacher Schritt wäre eine konsequente Beschaffung der öffentlichen Hand nach Kreislaufkriterien. In den Niederlanden entfaltet dies bereits große Lenkungswirkung. Weitreichender wären allerdings entsprechende gesetzliche Regulierungen, etwa durch Erweiterung der Ökodesign-Richtlinien. Mit ihrer Hilfe könnten Hersteller dazu verpflichtet werden, Produkte langlebig und vor allem reparierbar zu gestalten. Frankreich und Italien haben bereits vorgemacht, wie man zielgerichtet gegen »geplante Obsoleszenz« vorgehen kann. Schweden hat 2016 die Mehrwertsteuer auf Reparaturen gesenkt. Die Europäische Kommission erwägt im Rahmen ihres »Aktionsplans Kreislaufwirtschaft« die Einführung von Pfandsystemen für ausgewählte Produktgruppen, um die Voraussetzung für qualitativ hochwertiges Recycling zu optimieren.
In den USA ist 2021 mit der »Durchführungsverordnung« ein Recht auf Reparatur wahrscheinlicher geworden: Hersteller müssen fortan Reparaturen durch unabhängige Dritte ermöglichen und dürfen sie nicht aktiv verhindern. Derlei fordert in Deutschland der von Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen gegründete »Runde Tisch Reparatur« schon seit Jahren. Gerade für Deutschland liegt eine große Chance darin, im globalen Wettbewerb eine Vorreiterrolle zu übernehmen, neue Standards zu definieren und gleichzeitig Versorgungssicherheit im eigenen Land zu schaffen.
Vorbild in Europa: Die Niederlande
Europaweit der wichtigste Vorreiter für Kreislaufwirtschaft sind wohl die Niederlande. Bis 2050 will Deutschlands Nachbarstaat vollständig zirkulär sein, bereits 2030 soll der Verbrauch von Primärrohstoffen um 50 Prozent reduziert sein. Mit der »Transitieagenda« für ausgewählte Branchen treiben die Niederlande den Umbau ihrer Wirtschaft systematisch voran. Auch Dänemark, Schweden und Finnland gehen verstärkt in Richtung Kreislaufwirtschaft. Denn sie ist nicht nur Klima- und Umweltschutz, sondern schafft auch Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit.
Auch eine veränderte Fiskalpolitik, bei der nicht länger (wertschöpfende) Arbeit, sondern (wertvernichtender) Material- und Energieverbrauch besteuert wird, könnte eine Kreislaufwirtschaft beschleunigen. Dieses Konzept einer ökologischen Steuerreform, das bereits in den 90er-Jahren vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie propagiert wurde, treibt derzeit der niederländische Thinktank Ex’tax Project international intensiv voran.
Zu den staatlichen Handlungsoptionen gehört auch die gezielte Regulierung der Sekundärmaterialströme. Heute sind Primärrohstoffe oft noch billiger als Rezyklate. Durch den verpflichtenden Einsatz von Monomaterialien bei Verpackungen ließen sich Handelsvolumina vergrößern und damit eine werterhaltende Wirtschaftlichkeit für Rezyklate schaffen. Insgesamt sollte der Staat alle Hersteller verpflichten, für den Erhalt der von ihnen eingesetzten Materialien zu sorgen, sodass Material bleibend und hochwertig in der Wirtschaft zirkulieren kann.
Agenda ab 2022
- Etablierung fester Kreislaufkriterien in der öffentlichen Beschaffung
- Zielgerichtete Maßnahmen gegen »geplante Obsoleszenz«: Verpflichtung der Hersteller, Produkte langlebig und vor allem reparierbar zu gestalten
- Senkung der Mehrwertsteuer auf Reparaturen
- Verpflichtung, bei Verpackungen ausschließlich Monomaterialien einzusetzen
- Verpflichtung der Hersteller, sämtliche Materialien und Komponenten eines Produkts oder Gebäudes in einem »Materialpass« präzise zu registrieren, zu dokumentieren und zu archivieren
Digitale Technologien tragen zur Langlebigkeit von Produkten bei
Die Digitalisierung ist ein Turbo für die Kreislaufwirtschaft. Internet, Smartphones und vor allem die Blockchain-Technologie ermöglichen eine kleinstteilige Betrachtung, Nachverfolgung und Dokumentation sämtlicher Finanz-, Waren- und Materialströme. Schon heute wird in anspruchsvollen Branchen mit digitaler Technik die Qualität von Logistikketten sichergestellt. Das Internet of Things könnte durch Informationen über Nutzung und Wartungsbedarf wesentlich zur Langlebigkeit von Produkten beitragen. Auch die Bundesregierung hat die Bedeutung von digitalen Zwillingen für materielle Güter erkannt und könnte sie leicht zur Entwicklung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft nutzen.
Ähnlich wie bei Lebensmitteln könnten Hersteller zur Angabe von Inhaltsstoffen verpflichtet werden, und darauf basierend könnten sämtliche Stoffströme in einem »Materialpass« datenmäßig erfasst werden. So ließen sich sämtliche Materialien und Komponenten eines Produkts oder Gebäudes präzise registrieren, dokumentieren und archivieren – und blieben dauerhaft verfügbar. Im Prinzip würde auf diese Weise eine Art von volkswirtschaftlichem Asset-Managementsystem für Material eingerichtet werden. Als erstes Gebäude der Welt wurde bereits 2013 das Rathaus des niederländischen Städtchens Brummen mit einem solchen Materialpass ausgestattet.
Beispiel Bausektor: Kataster erfassen die Identität und den Verbleib von Materialien
Der Bausektor ist in der EU für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs, für 36 Prozent der Treibhausgasemissionen, für mehr als 50 Prozent des Ressourcenverbrauchs und für 46 Prozent der Abfallproduktion verantwortlich. Damit ist die Branche größter Verbraucher von Ressourcen und Energie – ihr Umbau sollte daher besonders im Fokus stehen. Ein Materialpass macht Gebäude und Produkte aller Art dauerhaft wertvoll: Bereits in der Planung wird alles so konstruiert und gestaltet, dass sämtliche Materialien und Einzelkomponenten eines Tages ohne Wertverlust wieder »geerntet« werden können. Damit ein Materialpass wirklich gültig wird, bedarf es einer offiziellen Anerkennung und Registrierung – in einer Art Personenstandsregister für Materialien. Dank zivilgesellschaftlicher Initiative gibt es seit 2017 eine solche öffentliche Datenbank, in der Identität und augenblicklicher Verbleib von Materialien in Form von Materialpässen erfasst werden: Madaster, ein Materialienkataster. 2017 in den Niederlanden gegründet, ist das Madaster für Gebäude mittlerweile in der Schweiz, Deutschland, Norwegen, Belgien und den Niederlanden operativ, insgesamt wurden bereits mehr als 10 Millionen m2 Gebäude darin registriert.
Im Prinzip muss Material so eingesetzt werden, dass es nicht verbraucht, sondern lediglich gebraucht wird.
Das Maß der Wiederverwertbarkeit der Materialien durch Entwurf und Verarbeitung wird dabei in einem Circularity Index beziffert und finanziell bewertet. Je höher der Circularity Index, desto höher der Werterhalt der verbauten Materialien. So wird jedes Produkt oder Gebäude, auch wenn es nur begrenzte Zeit einen bestimmten Zweck erfüllt, auf Dauer ein Materialdepot.
In den Niederlanden soll 2022 ein Materialpass für Neubauten gesetzlich eingeführt werden. Die finanziellen Vorteile dieser Dokumentation sind bereits in verschiedenen Sektoren erkannt worden. Die 2019 fertiggestellte Hauptgeschäftsstelle der Triodos Bank in Zeist (Niederlande) ist das erste vollkommen zerlegbare Bürogebäude der Welt. Hier dient der Materialpass auch dazu, den Gesamtwert der Materialien des Gebäudes in Zusammenarbeit mit einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen bankable zu machen. Das heißt: Ein solches Gebäude wird in Zukunft nicht mehr nach null abgeschrieben, sondern auf seinen materiellen Zukunftswert, was wiederum finanzielle Anreize für die Umsetzung des Kreislaufgedankens in der Baubranche schafft.
Es ist Zeit, unsere wirtschaftlichen Prozesse zu überdenken und neu zu gestalten. Wenn wir nicht lernen, Material in unserem Wirtschaftssystem zu bewerten und zu verwalten, wachsen wir uns selbst arm.
Agenda für 2025
- Baugenehmigungen nur für energieproduzierende Neubauten und Renovierungen
- Gesetzliche Vorgaben für die Verwendung von mindestens 15 Prozent Sekundärmaterialen, -komponenten oder -produkten mit jährlich steigenden Prozentzahlen
- Nachweis über Rückbaubarkeit mit Verpflichtung zum Werterhalt der Materialen
- Verpflichtender Materialpass für alle Neubauten
- Bis 2028 sukzessive Erstellung eines Materialpasses für den Bestand